Groß-Givitz (Lehngut im ritterschaftlichen Amt Stavenhagen.)

Die Gräflich Voss'sche Begüterung, bestehend aus Gross- und Klein-Gievitz mit Minenhof im Amt Stavenhagen, Alt- und Neu- Schönau, Johannshof und Carlsruh im Amt Neustadt, liegt in einer angenehmen, wasser- und waldreichen Gegend nördlich von dem Torgelower See. Besonders anmuthig ist die Lage von Gross-Gievitz. Die geschmackvollen Parkanlagen, welche nicht nur den gräflichen Wohnsitz, sondern auch die Kirche und das ganze stattlich gebaute Dorf umgeben, berühren unmittelbar die nördlichste Bucht des Torgelower Sees, über dessen glatten Spiegel sich nahe dem Ufer eine kleine bewaldete Insel erhebt, und aus welchem hier ein Peenebach, den Ort westlich begrenzend, nach Norden abfliesst. An den hügeligen Ufern des Sees sieht man im Osten Torgelow, im Westen Minenhof. Von da an erstreckt sich eine schöne Waldung bis in die Nähe des Varchentiner Sees.

Der Besitz von Gross- und Klein-Gievitz (Giveritz, Givertz, Groth-Gywertze) und Schönau war in alter Zeit nicht in einer Hand, sondern hufen- und hofweise zerstückelt und in den einzelnen Teilen, wie es zu geschehen pflegte, durch Verpfändung und Veräusserung vielfachem Wechsel unterworfen. Doch erscheinen, so weit die geschichtliche Kunde reicht, die Voss als die Hauptbelehnten. In den zu Ende des dreizehnten und zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts als Urkundenzeugen in den werlischen Herrschaften auftretenden Rittern Hinricus Vos, Conradus Vos, Curdt Vos, Vicko Vos haben wir, obgleich deren Besitz nicht angegeben wird, unzweifelhaft den Stamm der jetzigen Grafen und Herren von Voss zu erkennen, welche in diesen Gegenden (zu Hinrichshagen, Wolde etc.) vielleicht schon im zwölften Jahrhunderte erbgesessen gewesen sind und in ihren Stammhäusern Luplow, Gross-Gievitz und Flotow noch jetzt blühen.
      Die Kirche zu Gross-Gievitz ist schon in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts gebaut. Sie hat rundbogige Gewölbe von eigentümlicher Construction und trägt alle Merkmale der Periode des Überganges aus dem romanischen in den gotischen Styl an sich.
      In der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts finden wir neben den Voss die von der Osten als Teilbesitzer von Gross- und Klein-Gievitz. Am Allerheiligentage des Jahres 1332 verlieh der Fürst. Johann zu Werle dem Vicko Voss einige Besitzungen in Gross- und Klein-Gievitz, so wie Gottschalk von der Osten sie besessen hatte. Von dem partiellen Besitze fiel in naturgemäßer Entwicklung ein immer grösserer Teil der Familie zu, die am längsten darin verblieb, und so haben wir, wenn gleich in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts nach die Samekow und die Lepel als Besitzer auftreten, im weiteren Verlaufe desselben neben den Voss nur die Hahn von Basedow und die Flotow von Stuer als die Familien zu nennen, zwischen welchen der Besitz von Gross-Gievitz etc. wechselte oder streitig war. Es hatten nämlich im Jahre 1354 die Herren von Werle-Goldberg dem Andreas von Flotow das ganze Land Malchow, in welchem Gievitz belegen war, zu Pfande gegeben. Dieser Pfandbesitz dauerte lange Zeit; er überdauerte das Bestehen des gesammten Hauses Werle und wurde noch zu den Zeiten der Herzoge von Mecklenburg Gegenstand eines hundertjährigen Prozesses vor dem Reichskammergericht zwischen diesen Fürsten und den von Flotow zu Stuer. Letztere hatten längst auch lehensherrliche Rechte über die Lehengüter des Landes Malchow für sich in Anspruch genommen und ausgeübt, vielleicht hatten sie auch Besitzungen in Gross- und Klein-Gievitz selbst erworben, denn am Katharinen-Tage 1488 verpfändeten sie an Claus Hahn von Basedow, der mit Anna Flotow von Stuer verheirathet war, ihre Güter Gross-Gievitz und Schönau mit aller Herrengerechtigkeit, Eigentum und Freiheit für 2700 lübische Mark zum niessbräuchlichen Besitze, dazu im folgenden Jahre noch fünf Hufen in Gross-Gievitz für 70 rheinische Gulden. Derselbe Claus Hahn nahm im November 1489 von Hans Voss zu Plasten seine Besitzungen in Gross- und Klein-Gievitz für 1212 ½ lübische Mark zu Pande.


Bald darauf, nachdem 1495 das Reichskammergericht ins Leben getreten war, erhob Wedige Voss zu Luplow wegen Gross-Gievitz Beschwerde und Klage gegen die Hahn zu Basedow, eine Streitsache, die dadurch ausgeglichen wurde, dass Wedige Voss im Jahre 1519 am 22. Mai sein väterlich Erbe und Gut in dem Dorfe zu Gross-Gievitz, nämlich seinen Hof mit 14 Bauern und dazu gehörenden Gerechtigkeiten, für 1125 Gulden an Claus Hahn's Sohn Joachim verkaufte. Wedige Voss starb ohne Leibeserben, aber mit Hinterlassung von Lehenserben. Die Flotow zu Stuer, die schon seit 1512 vor dem Reichskammergericht einerseits gegen Claus Hahn's Söhne geklagt hatten, um sie trotz des Pfandbriefes von 1488 aus dem Besitze zu drängen, anderseits von den Voss zur Beseitigung ihrer Ansprüche auf Gross- und Klein-Gievitz verklagt waren, nahmen nunmehr, ungeachtet des geschehenen Verkaufs und des Vorhandenseins von Lehnsvettern, das Gut als Eigenthümer, Lehns- und Gutsherren in Anspruch und traten 1549 aufs Neue vor dem Reichskammergericht als Kläger auf. Wahrscheinlich dauerte der Process noch, als die Flotow am 14. Januar 1574 einen Antheil von Gross- und Klein-Gievitz und Schönau auf 20 Jahre für 6600 Gulden antichretisch an Joachim Krause zu Varchentin verkauften. Die damals regierenden Herzoge Johann Albrecht und Ulrich willigten in diesen Verkauf, jedoch mit Reservation der ihnen für den Fall zustehenden Rechte, dass diese Güter zum Lande Malchow gehören, und sie, die Landesherren, das Malchowsche Land entweder durch ein Kammergerichts-Urtheil oder durch andere rechtliche Wege wieder an sich bringen sollten. Denn der Process in Betreff der Verpfändung dieses Landes wartete noch immer des Richterspruches. Im Jahre 1602 verpfändete Caspar von Flotow zu Stuer Theile von Gievitz für 2000 Gulden an Jürgen Kossebade zu Torgelow, und derselbe Pfandnehmer erhielt 1609 für 1000 Gulden von Otto Hahn zu Gross-Gievitz die Windmühle und einen Cossatenhof daselbst.

Drei Generationen der Hahn besassen Gross-Gievitz und wohnten dort. Otto Hahn empfing hier 1563 den Besuch des berühmten Humanisten Johannes Caselius. Dieses Besitzers gleichnamiger Enkel gerieth indessen in Vermögensbedrängniss. Er musste 1609 aus dringender Noth und zur Abtragung der von seinem Vater, dem holsteinischen Hauptmann Claus Hahn, hinterlassenen Schulden seine Gerechtigkeiten an Klein-Gievitz für 2200 Gulden an Hans Hahn zu Bristow und, als dieser selbst in Verlegenheiten gerieth, 1613 für 2500 Gulden auf 6 Jahre an Jürgen Kossebade zu Torgelow verpfänden. Aber auch hierdurch konnte er sich nicht im Besitze der Gievitzer Güter erhalten. Im Frühling 1616 sah er sich genöthigt, zur Abwehr seiner andringenden Gläubiger sein „altväterliches Stammlehn" Gross-Gievitz mit Zubehörungen in Klein-Gievitz für 22,000 Gulden an Carl Voss, für sich und in Vormundschaft der Kinder des Jürgen Voss, weil. Hauptmanns zu Wesenberg, Carl, Valentin, Jürgen, Levin Ulrich und Friedrich, zu verkaufen, welche darauf in demselben Jahre, zu gesammter Hand mit ihren Vettern Adam und Valentin Voss zu Luplow, mit der obigen Reservation die Belehnung darüber erhielten. In dem Rechtsvorbehalte hiess es ausdrücklich, dass, falls ein den Herzogen günstiger Reichskammergerichtsspruch ergehen sollte, dieselben das Gut ohne Erstattung des Kaufschillings zur Hand nehmen würden, und die Voss sich alsdann an die Hahn, diese aber an die Flotow halten könnten. Dieselbe Reservation wurde anwendlich, als 1619 am 19. Januar Andreas Christoph von Flotow, des obengenannten Caspar Sohn, und dessen Vettern Johann Ulrich, Jürgen und Otto, den annoch F1otow'schen, früher an Joachim Krause zu Varchentin verpfändet gewesenen Antheil von Gievitz dem Johann von Barner für 7600 Gulden zu Pfand gaben.

Als Carl von Voss, der Hauptbelehnte unter den obengenannten Brüdern, 1641 mit Hinterlassung der Söhne Jürgen, Oldewig und Daniel Friedrich starb, war Gross-Gievitz im Concurse. Des Verstorbenen Bruder und Mitgläubiger, Jürgen von Voss zu Dudingshausen, brachte durch Ankauf der Rechte der übrigen Gläubiger das Eigenthum an sich und erhielt 1651 eine neue Belehnung.

Dieser Jürgen von Voss consolidirte die Besitzung, indem er am 4. März 1652 von Johann von Barner's Creditoren auch den 33 Jahre zuvor an diesen verpfändeten Theil der Gievitzer Güter für die Pfandsumme an sich brachte. Er starb 1669 und hinterliess von seiner Gemahlin Elisabeth von Oertzen die Söhne Siegfried, Jaspar Friedrich, Diederich Barthold, Ernst Christoph und Jürgen Ulrich. Ernst Christoph von Voss erhielt den Besitz dieses Gutes, musste es aber durch Vergleiche von 1675 und 1677 seinem jüngeren Bruder, dem Rittmeister Jürgen Ulrich von Voss, und dessen Ehegattin Anna von Bülow überlassen, von welchen er es erst 1693 gegen Zahlung von 13,000 Thlr. wiedererlangte. In Anlass der von ihm nachgesuchten Erneuerung des Lehnbriefes wurde 1701 Klein-Gievitz ausdrücklich als Pertinenz von Gross-Grevitz anerkannt. Dies geschah, während noch wegen Klein-Gievitz ein Reichskammergerichtsprocess gegen die von Erlencamp anhängig war. An diese hatte Jürgen Ulrich von Voss das Gut 1684 verpfändet, und des Pfandnehmers Erben widersetzten sich bis dahin der Reluition. Uebrigens wurden gegen Ernst Christoph noch von Ernst Christoph von Hahn 1706, von Curd von Barner 1707 und von den Flotow 1714 Reluitions-Ansprüche erhoben. Ernst Christoph starb als Oberst 1720, ohne aus seiner Ehe mit Anna Magdalena von Witzendorff Kinder zu hinterlassen.

Ihm folgte in dem Besitze von Gross-Gievitz seines ältesten Bruders Siegfried, Sohn Friedrich Ernst von Voss auf Flotow, welcher bei seinem Tode 1738 zwei minderjährige Söhne hinterliess. Friedrich Christoph Hieronymus erhielt später Flotow und Klein-Helle, Ernst Johann die Gievitzer Güter und Rumpshagen, welches er aber 1752 an Justus von Gundlach verkaufte.

Von diesen Brüdern, welche beide im preussischen Staatsdienste hohe Chargen bekleideten, stammen die beiden jetzt bestehenden gräflichen Linien des Hauses Voss ab. Ernst Johann war wirklicher Geheimrath und Oberhofmeister der Königin Elisabeth von Preussen, der Wittwe Friedrichs des Grossen. Nach seinem am 26. Mai 1793 erfolgten Tode wurde seine Wittwe, Sophie Wilhelmine geb. von Pannewitz, Oberhofmeisterin der Königin Luise von Preussen und Grande-Gouvernante der königlichen Prinzessinen, am 11. März 1800 mit ihrer männlichen und weiblichen Nachkommenschaft vom Könige Friedrich Wilhelm III. in den Grafenstand erhoben. Ihr Sohn war August Ernst Fr. W. H. E. Graf.von Voss, königlich preussischer Kammerherr, früher Regierungsrath in Potsdam und in Danzig, dann preussischer Gesandter in Neapel, zuletzt Oberschenk, auch Domherr zu Brandenburg. Er war zu Gross-Gievitz am 23. December 1779 geboren und starb daselbst am 9. Januar 1832, die Güter seinem Sohne, dem Grafen Felix Georg Julius August Werner Heinrich Carl (geboren am 15. August 1801) hinterlassend. Graf Felix, dessen Schwester mit dem verstorbenen königlich preussischen Generallieutenant und Staatsminister Joseph Maria von Radowitz vermählt war, und dessen Tochter Anna die Gemahlin des königlich baierschen Generallieutenants Ludwig Reichsfreiherrn von und zu der Tann, ist der jetzige Besitzer. Sein ältester Sohn, Graf Eugen, k. k. österreichischer Kämmerer und Rittmeister in der Armee, besitzt auch Schorssow und Carlshof bei Teterow.

Der älteste Sohn von Friedrich Ernst von Voss, Friedrich Christoph Hieronymus, auf Flotow und Trollenhagen, wurde königlich preussischer Geheimer-Justizrath, Gesandter in Kopenhagen und Domprobst zu Havelberg. Ausser seinen mecklenburgischen Besitzungen erwarb er auch die Güter Buch, Carow etc. in Preussen. Aus seiner Ehe mit einer Tochter des Geheimen-Staatsministers Otto von Viereck hinterliess er den Sohn Otto Carl Friedrich (geb. am 8. Juni 1755, gest. am 30. Januar 1823), welcher 1786 Präsident der kurmärkischen Kriegs- und Domainen-Kammer und mit Beibehaltung dieses Postens 1789 geheimer Staats-, Kriegs- und dirigirender Minister im General-Directorium wurde. Sein Sohn Friedrich Wilhelm Maximilian von Voss, Domcapitular zu Magdeburg, wurde bei der von dem Könige Friedrich Wilhelm IV. am 15. October 1840 eingenommenen Erbhuldigung unter dem Namen eines Grafen von Voss-Buch in den Grafenstand nach dem Rechte der Erstgeburt erhoben. Da er aber am 28. Februar 1847 ohne Nachkommenschaft starb, wurde seine Würde auf seinen Bruder, den jetzigen Grafen Karl Otto Friedrich (königlich preussischen Wirklichen Geheimrath, Präsidenten des Consistoriums der Provinz Brandenburg, Kronsyndikus und Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit) mit dem Anfügen ausgedehnt, dass sie auf jeden dem Hause Voss angehörigen Nachfolger in den Fideicommissgütern Buch und Carow übergehen soll. Der jetzige Graf von Voss-Buch (geb. am 26. September 1786) ist unvermählt, sein Vetter und präsumtiver Nachfolger, der königlich preussische General der Infanterie a. D. Ferdinand von Voss, unbeerbt.