Abschnitt 2

Ueber die mecklenburgischen Thaten des Puck belehrt uns eine alle lateinische Niederschrift 1) , die wahrscheinlich aus dem Franziscaner-Kloster in Schwerin stammt und in Schröder's Papistischem Mecklenburg (Theil I. S. 607 tf.) sechs Quartseiten füllt. Schon vorher hatte Bernhard Hederich die Erzählung, offenbar nach gleicher Quelle (er sagt: „aus den brieflichen Urkunden und aus Doctor Simonis Pauli eigenhändigen Nachrichten"), seiner Schwerinschen Chronika als Anhang beigegeben. Aus letzterer ist sie in Studemund's Mecklenburgische Sagen (Heft H. S. CO ff.) und in Fromm's Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin (Schwerin 1862. S. 80 ff.) übergegangen. Wir dürfen annehmen, dass die Erzählung mecklenburgischen Lesern hinreichend bekannt ist, und begnügen uns mit diesen Nachweisungen.

Westphalen ist der Meinung gewesen, die Fabel von der Uebersiedelung des Puck von Kleinen-Brütz nach Schwerin sei in das Jahr 1222 zu setzen; Schröder führt sie zu dem Jahre 1240 auf. In der Relatio veridica wird aber schon ein Edler von Halberstadt als Besitzer von Kleinen-Brütz genannt. Die Chronologie kann hier nicht weiter urgirt werden. Hat aber die Sage von dem Brützer Puck schon im ersten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts im Munde des Volkes gelebt, so ist darin wohl kein Halberstadt als Gutsherr und Gönner des Ordens genannt worden, da der Ort, wie wir gesehen, damals eben erst der Gräfin Oda von Schwerin zum Geschenk verliehen war. Der Verfasser.der Relatio veridica hat offenbar einen späteren Zeitraum im Auge gehabt oder er hat in die ältere Sage Elemente aus späterer Zeit übertragen.


Die Verbindung der Familie Halberstadt mit dem Gute Klein-Brütz (wie Brüsewitz seit um 1300 genannt wird) beginnt nachweislich erst mit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts; doch ist anzunehmen, dass dieselbe älter sei, vielleicht bis in das dreizehnte Jahrhundert hinaufreiche. Werner von Halberstadt kommt 1271 und 1274 als Zeuge in Urkunden der Herzoge von Sachsen-Lauenburg und des Grafen Helmold von Schwerin vor.

Die Familie von Halber Stadt war vier Jahrhunderte hindurch eine der angesehensten und wohlbegütertsten im westlichen Mecklenburg, wo wir dieselbe schon vor der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts um Schwerin herum, am östlichen wie am westlichen Ufer des Schweriner Sees, angesessen finden. Im Jahre 1337 erscheint der Ritter Johannes von Ha1berstadt als Besitzer von Görslow und anderen Gütern. In einer in Schwerin ausgestellten Urkunde vom 20. Januar 1337, durch welche dieser Johannes dem Kloster Eldena eine jährliche Hebung von 6 Mark Lüb. aus den genannten Gütern, verschreibt, nennt er ausser seiner Tochter Margarethe, Nonne in Eldena, zu deren Präbende diese Schenkung bestimmt ist, noch einen Bruder, Macharius, und einen Henning Halberstadt, beide Knappen.

Bald darauf, 1358, wird ein Henning oder Hennecke von Halberstadt im Besitze von Klein-Brütz genannt, vielleicht der Henning der Urkunde von 1337, obwohl er erst 1383 die ritterliche Würde erlangte. Er war der letzte gräfliche Burgmann auf dem Schlosse zu Schwerin und huldigte auf Befehl seines Herrn am Tage Andrea des genannten Jahres (am 30. November) den Herzogen zu Mecklenburg. Auch unter diesen blieb er eine hervorragende Persönlichkeit. Als 1369 Herzog Albrecht mit den Herzogen von Pommern ein Bündniss schloss, war Hennecke von Halber Stadt einer der abgeordneten Commissarien, und noch im Jahre 1395 – dem letzten, in welchem er vorkommt, – verbriefte er sich mit vielen andern Mecklenburgischen von Adel für den König Albrecht von Schweden der Stadt Rostock gegenüber.

Von seinen Söhnen Henning und Karsten, beide auf Klein-Brütz, erhielt der Letztere von der verwittweten Herzogin Katharina von Mecklenburg 1424 den Auftrag, während der Minderjährigkeit ihrer Prinzen das Regiment über die im Lande Boizenburg belegenen Vogteien zu führen. Henning pflanzte das Geschlecht fort und scheint auch den Besitz desselben erweitert zu haben, da seine Söhne, Jürgen und Karsten Halberstadt, um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts auch als Besitzer von Cambs und Camin aufgeführt werden, wozu sie noch 1459 (in Gemeinschaft mit einem Heinrich von Bulow) das Dorf Upahl pfandweise vom Herzog Heinrich von Mecklenburg erwarben.

Von den Söhnen dieses Karsten, Henning und Jürgen Halberstadt, wurden die Linien zu Cambs und zu Klein-Brütz gestiftet. Der Ritter Henning auf Cambs wurde im Jahre 1529 von dem Kaiser Carl V. in die Reichsacht erklärt, weil er den Gebrüdern von Thun ihr Gut Zepelin (nachmals Steinhorst) mit gewaffneter Hand abgenommen hatte. Der Streit kam indessen zur friedlichen Ausgleichung zwischen den Parteien. Mit Henning's einzigem Sohne, Christoph auf Cambs, starb diese Linie schon wieder aus, da derselbe nur eine Tochter, Anna, vermählt an Christoph von Sperling auf Schlagsdorf, hinterliess.

Wir verweisen wegen der weiteren Geschlechtsfolge des Jürgen von Halberstadt auf die genealogische Uebersicht, die wir hier folgen lassen:

K1ein-Brütz war der Haupt-Rittersitz der Halberstadt; Gross-Brütz, Rosenhagen, Rosenberg waren Dependenzen dieses Stammsitzes. Nebenlinien wurden, westlich vom See, zu Gottesgabe in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts und zu Wendelstorf im siebzehnten Jahrhundert begründet, während Camin, Schossin, Dolzien, Klein-Weltzien, Wendischhof, Vietlübbe sich mehr vorübergehend im Besitze von Mitgliedern der Familie befanden. Oestlich vom See concentrirte sich der Besitz in Cambs und Langen-Brütz und umfasste zeitweilig auch Leetzen (s. d.) und das alte Besitzthum Görslow. Cambs kam schon um 1650 in Concurs und aus diesem an den Oberstlieutenant von Plessen für 48552 Gulden. Etwa hundert Jahre später ging auch die Langen-Brützer Begüterung der Familie verloren. Der Kammerjunker Friedrich Wilhelm von Halber Stadt musste die Güter seinen Gläubigern überlassen, und aus dem Concurse kaufte sie (1744) der Geheimerath Hieronymus Wigand von Laffert für 50,000 Thaler. Vietlübbe wurde während des dreissigjährigen Krieges von Jürgen von Ha1berstadt für 16,300 Gulden an Johann Jürgen von Hobe a. d. H. Beestland verkauft. Um dieselbe Zeit ging auch Camin aus dem Besitze der Familie. Als der Landrath Cuno Hans von Halber Stadt – welcher auf dem Landtage zu Sternberg 1589 nebst Anderen von der Ritterschaft den Auftrag erhalten hatte, die alten Landesgewohnheiten in Betreff der Lehen, die Consuetudines feudales, zu untersuchen – nach seinem Sohne, mithin nach 1640, starb, verkauften seine Brüder und deren Söhne das Lehngut Gamin c. p. für 43,000 Gulden an Hartwig von Peutz auf Toddin und Zachun. Hans Jürgen musste im Laufe der schweren Kriegszeit Gottesgabe an die Plessen pfandweise weggeben; erst sein Grossneffe Johann Christoph, löste das Gut wieder ein. Dessen Sohn, der Landrath Carl Leopold, war der letzte Besitzer. Woltow bei Tessin, das die Halberstadt auf Langen-Brütz etc. etc. erst in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts mit ihrem Besitze vereinigten, wurde 1726 von Balthasar Friedrich, dem Enkel des Generals, an Leopold Friedrich von Bassewitz auf Lühburg und Duckwitz verkauft.




1) Relatio veridica de servo quodam nominato de Puck, qui in Suerinensi monasterio, tamquam pro memoriali testamento et evidenti rei gestae signo amphorum magnam, de aere conflatam, reliquit fratribus minoribus, quod (vas) ab incolis in hodiernum usque diem dictum de Puck.