VIII. - Ein Überrest aus dem -goldenen Zeitalter- Das alte römische Villenviertel von Hippone (Bona)

Zwei Kilometer südlich vom Südtor des heutigen Bona (Tripolis) erhebt sich inmitten einer mit Gärten und üppigen Feldern bedeckten Ebene der jetzt von der prächtigen Basilika des heiligen Augustinus gekrönte Hügel der alten Akropolis von Hippone. Weithin die entzückende, landeinwärts von hohen Bergen umrahmte Küstenlandschaft beherrschend, lenkt dieser Punkt als leuchtende Landmarke überall die Blicke des Beschauers auf sich. An landschaftlichen Reizen läßt sich wohl kein Platz an der algerischen Küste, wenn man nicht etwa das liebliche Bougie ausnehmen wollte, mit Bona, dieser Perle von Kleinafrika, vergleichen. Trotzdem wird die aufstrebende Handelsstadt, deren Bedeutung als Ausfuhrhafen von Eisenerz, Phosphaten und Halfagras beständig im Steigen begriffen ist, von Touristen wenig besucht. Die neuerdings hier in reicher Fülle aufgedeckten römischen und altphönizischen Bauwerke werden aber zweifelsohne viele Besucher anlocken, die bisher in diesem Landesteil sich auf die Besichtigung von Konstantine beschränkten oder auf ihrem Weg von Tunis dahin bei den wunderbaren Geiserquellen von Hammam-Meskoutine, einer Art Yellowstone en miniature, haltzumachen pflegten.

Das aus einer von Karthago hervorgegangenen Phöniziersiedlung entstandene Hippone gelangte schon im Zweiten Punischen Krieg in römischen Besitz, und es führte von da ab den Namen Hippo regius. Die Stadt wird als wichtiges Eingangstor für die mit so überraschender Schnelligkeit durchgeführte Zivilisierung von Numidien gedient haben. Die römische Kolonisation, die lange nach dem Fall von Karthago, erst 100 Jahre später, unter Caesar anhob, hatte als Vorläufer zahlreiche Handwerker und Kaufleute, die bei den numidischen Großen und namentlich in den vielen Küstenstädten Beschäftigung fanden. Hier bildeten sich schon frühzeitig Gemeinwesen von gemischter Bevölkerung, die nach römischem Vorbild mit autonomer Verfassung ausgestattet wurden. Als die Römer nach langwierigen Kämpfen mit aufständischen Häuptlingen und beutelüsternen Stämmen des Innern endlich im Jahr 40 unserer Zeitrechnung das ganze Land in ihren vollen Besitz gebracht hatten, begann für die Provinz Afrika eine Zeit ungestörten Friedens und einer reichen Entwicklung in jeder Hinsicht der Kultur. 200 Jahre hat dieses goldene Zeitalter gewährt, und nie hat das Land wieder das Glück einer ähnlichen Periode, auch nur für Jahrzehnte zu kosten bekommen. Damals aber war alles üppiges Gedeihen, herrliche Blüte, reiche Frucht. Afrika stellte mit seiner vorgeschrittenen Bodenkultur bald alles in den Schatten, was die alten Provinzen zuwege gebracht. Aber nicht bloß mit seinen Produkten überflügelte die Provinz das Mutterland, auch auf geistigem Gebiet begann sie sich geltend zu machen, denn mit dem zweiten Jahrhundert treten uns überall im Reich geborene Afrikaner, gleichviel welchen Ursprungs sie waren, in einflußreichen Stellungen entgegen, als Rechtsgelehrte, als Staatsmänner, ja schließlich, und das zu wiederholten Malen, als Kaiser. Septimius Severus und sein Sohn Caracalla waren stolz auf ihre punische Herkunft und wetteiferten miteinander im Kult des Gedächtnisses eines Hannibal, der doch Roms schlimmster Feind gewesen war. Die Verbrüderung der Rassen scheint im kaiserlichen Rom Triumphe gefeiert zu haben, wie sie deren nie wieder erlebte, und man kann es sich daher wohl vorstellen, wie leicht es den einheimischen Großen sein mußte, auch neben den vornehmsten Römern eine gleichwertige Stellung zu behaupten. Ihre Lebensführung scheint sich in jeder Hinsicht den verfeinerten Sitten des Reichszentrums angepaßt zu haben. Von ihrer Üppigkeit liefern die jetzt bei Bona aufgedeckten prächtigen Mosaiken ein beredtes Zeugnis; denn es wird schwer sein, die Frage zu entscheiden, ob diese mit so großer Pracht und so feinem Kunstverständnis ausgestatteten Villen eingeborenen Großen oder vornehmen Römern von Geblüt angehört haben. Jedenfalls waren die Besitzer Großgrundbesitzer, Inhaber von Latifundien, die sich in den größeren Städten einem luxuriösen Genußleben hingaben.


Vom alten Hippone ist auf der Erdoberfläche nichts übriggeblieben, die Tiefe aber birgt riesige, aus gewaltigen Blöcken wohlgefügte Mauerwerke von den Verhältnissen ägyptischer Tempel, die erst seit wenigen Jahren aufgedeckt, zur Zeit das größte archäologische Problem von Kleinafrika darstellen. Auch vom römischen Hippo regius ist wenig sichtbar geblieben, außer dem Unterbau einer heute noch benutzten Brücke, den Zisternen aus der Zeit Hadrians, die immer noch Verwendung finden, und einigen Bautrümmern der alten Wasserleitung. Wo man aber gräbt, stößt man auf Zeugen der Vergangenheit. Beim Beackern der Gemüsegärten und Felder sind im Lauf der über 80 Jahre französischer Herrschaft in Bona zahlreiche Inschriftsteine zutage gefördert worden, aber regelrechte Freilegungen der alten Wohnstätten und namentlich der fast überall wohlerhaltenen Mosaiken sind erst in den letzten Jahren ausgeführt worden.

Zwei Hügel kennzeichnen die Lage des alten Stadtzentrums. Der größere, der die neue Basilika trägt, ist bereits erwähnt worden. Der kleinere liegt im Osten und von jenem einen halben Kilometer entfernt. Dieser wird heute als »Fortin« bezeichnet, weil die Gebäude, die sich auf seiner Spitze befinden, früher als Militärgefängnis dienten. An seine östliche Flanke lehnte das alte Theater, dessen Baubestandteile, lange als Steinbruch benutzt, längst verschwunden sind. Die nach Guelma führende Chaussee geht mitten hindurch, dicht dabei fließt nordwärts der stets wasserreiche Fluß Ssebuß, dessen Mündung sich seit der Römerzeit um mehrere Kilometer weiter nach Westen, bis nahe an den Hafen von Bona, verschoben hat. An das Theater anschließend, dehnte sich gen Norden, am Abfall des Fortinhügels, das vornehme Villenviertel der römischen Glanzzeit aus. Es war die der See zugekehrte Seite von Hippo regius, aber das Meeresgestade lag damals weiter ab, denn dieser Teil der Küste hat sich in den letzten 15 Jahrhunderten um mindestens anderthalb Meter gesenkt. Das Niveau der zu den Villen der älteren Periode (1. Jahrhundert n. Chr.) gehörigen Fußböden ist heute weniger als 2 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Die Mosaiken der späteren Zeit (2. bis 4. Jahrhundert n. Chr.) liegen ungefähr 2 ½ Meter über dem Meeresspiegel.

Auf einem Flächenraum von kaum 50 Hektar reihen sich zwischen den südwärts nach Konstantine und nach Guelma (Kalama) führenden Landstraßen zahlreiche Grundstücke von Privatleuten aneinander. Es sind meist Gärten und Gemüsefelder mit Oliven und Orangenpflanzungen und mit wenigen Landhäusern, bei deren Grundsteinlegung man fast stets auf altes Mauerwerk und Fußböden von musivischer Arbeit gestoßen ist. Der erste bedeutende Fund dieser Art ist bereits 1856 gemacht worden, als General d'Uzer für seinen Gärtner aus noch vorhandenen Mauerresten einer römischen Villa ein Wohnhaus herstellen ließ. Ein prachtvolles Mosaikstück trat in vollständiger Erhaltung zutage. Es stellte in 20 verschiedenen Farbenabstufungen Nereiden zur Schau, die auf phantastischen Seeungeheuern einherzogen, ein, wie es scheint, in der Provinz Afrika mit besonderer Vorliebe verwandtes Motiv. Das Kunstwerk, wieder zugeschüttet, blieb 15 Jahre lang begraben, bis es durch die Akademie d'Hippone abgebildet und veröffentlicht werden konnte.

Vor etwa 40 Jahren hatte sich in jener Gegend ein Privatmann namens Chevillot unweit des Fortinhügels ein Grundstück erworben, und als er zu seinem Hausbau die Fundamente ausheben wollte, stieß er auf auserlesene und prächtig erhaltene Mosaiken. Das erste Figürliche, das zutage trat, ist leider infolge einer Erdsenkung bei starkem Regen zugrunde gegangen. Es soll von hervorragender Farbenwirkung gewesen sein und in wunderbarer Zeichnung vier von Schwänen und Pfauen getragene Amoretten zur Darstellung gebracht haben. Herr Chevillot hat in der Folge eine zusammenhängende Reihe von sechs kleineren und größeren Mosaikfußböden freilegen lassen. Sie haben zu einer vornehmen römischen Villa gehört, die aus einer großen Anzahl von Gemächern mit Bädern, Zisternen und Säulengängen bestand. Zwei der Mosaiken bieten figürliche Gegenstände dar und haben von allen Besuchern in Augenschein genommen werden können. Als Glanzstück wurde bisher das »Triumph der Aphrodite« genannte, 5,5 X 3,7 Meter messende Mosaikstück angesehen. Mit großer technischer Vollendung hergestellt, erreicht es indes nicht den Kunstwert des im kleinen, aber auserlesenen Museum der Stadt Ssuß (Sousse) in Tunesien (des alten Hadrumetum) aufbewahrten »Triumph des indischen Bacchus« genannten Mosaiks, mit dem es gleichen Alters zu sein scheint (etwa 3. Jahrhundert n. Chr.). Es bietet ein analoges Stück zu den »Nereiden« des Generals d'Uzer und dürfte mit dieser Bezeichnung richtiger charakterisiert sein.

Als das vollendetste Mosaikkunstwerk der Chevillotschen Grabungen möchte ich aber das nur 4 X 4 Meter messende betrachten, das den Fußboden eines kleinen und abgesonderten Gemachs bedeckte. Im Mittelpunkt der aus fünf gesonderten Medaillons bestehenden Zeichnung steht die Gestalt eines Apollo, und in den von Blumengewinden und Weinranken umgebenen übrigen Medaillons gewahrt man weibliche Gestalten, die als Musen gedeutet werden. Die musivische Technik ist von großer Vollendung. Die menschlichen Gestalten sind aus den kleinsten Marmorstiften zusammengesetzt, während die Blatt- und Fruchtornamente aus größeren Würfeln bestehen. Die den Grund des Bildes ausfüllenden Steinchen messen 5 bis 6 Millimeter. Es verdient noch hervorgehoben zu werden, daß sich 70 Zentimeter unter diesen Mosaiken, die, in ein und demselben Niveau liegend, offenbar zu einer einzigen Villa gehört haben müssen, noch ältere lithostrotische Fußböden von einem früher vorhanden gewesenen Bauwerk erhalten haben. Gegen das Ende des 3. Jahrhunderts, wo unaufhörliche Aufstände und Kämpfe mit ehrgeizigen Gewalthabern eine Verwüstung von ganz Numidien herbeiführten, mag auch Hippo regius arg gelitten haben. Es war die Zeit, da der sieggewohnte Feldherr Probus, der nachherige Kaiser, im Kampf gegen den Usurpator Aradion neue Lorbeeren erwarb. Auf den Trümmern der alten sind alsdann neue Villen erbaut worden. Der eingestürzte Wand- und Deckenbewurf hat die alten Fußböden mit einer wie absichtlich zu ihrem Schutz aufgetragenen Zementschicht bedeckt und auf diese Art für die Neuanlagen zum Teil solide Grundlage geschaffen. Leider ist von der gewiß vorhanden gewesenen Bemalung der Wände nichts erhalten geblieben. Es überrascht auch, zu hören, daß nirgends Bildwerke oder Bronzen aufgefunden wurden.

Im Garten Chevillots, der gegenwärtig in den Besitz der Stadt Bona übergegangen ist, wurde auch der 20 Meter lange und 15 Meter breite Fußboden einer christlichen Basilika freigelegt mit zum Teil aus kostbarem Material hergestellten Steinplatten und kunstvollen ornamentalen Mosaiken, mit Marmorsäulen und schönen Türschwellen. Die Mauern des Baues sind gänzlich verschwunden, und das Übriggebliebene macht den Eindruck, als wäre hier aus früher vorhanden gewesenen, vielleicht noch von der Zerstörung durch die Vandalen (430 n. Chr.) übriggebliebenen Trümmern in späterer Verfallzeit eine Kirche notdürftig aufgebaut oder in stümperhafter Weise wiederhergestellt worden. Die Basilika, in der St. Augustinus gepredigt, und wo er während der langen Belagerung durch die Vandalen seine damals provisorische Grablegung fand, hat noch nicht ausfindig gemacht werden können. Von den sechs Kirchen, die in Hippo regius aufgezählt werden, sind bisher erst zwei nachgewiesen worden.

Die Erfolge Chevillots veranlaßten eine Bonaer Dame, ein anstoßendes Grundstück zu erwerben, um auch ihrerseits mit Ausgrabungen das Glück zu erproben. Mme. Gabrielle Dufour hat den ganzen Flügel des Fortin, ungefähr drei Hektar umfassend, zusammen mit allen Baulichkeiten des ehemaligen Militärgefängnisses, wo noch ein aus römischer Zeit stammender Brunnen mit schöner Marmorbrüstung zu sehen ist, in ihren Besitz gebracht, und nach den bisherigen Ergebnissen der Grabung hat es den Anschein, als ob der Nordabfall voller Ueberbleibsel aus verschiedenen Epochen stecke und in seiner ganzen Ausdehnung die wichtigsten Funde erwarten ließe. Die im Winter 1908 gemachten Ausschachtungen haben längs der Grenzlinie des Chevillotschen Grundstücks aus geringer Tiefe einen Flächenraum von gegen 45 Meter Länge und 30 Meter Breite freigelegt. Den größten Teil des aufgedeckten Raums nehmen die Überbleibsel einer ehemals mit großer Pracht ausgestatteten Villa ein. Von fünf Gemächern, deren größtes 8 X 7 Meter mißt, haben sich kunstvolle und intakt gebliebene Mosaikfußböden erhalten, während vom eigentlichen Bau nur die Fundamente und viele umgestürzte Säulen mit ihren Kapitellen und Basen übriggeblieben sind.

Die Besitzerin erzählte, daß, als man bei Wegräumung des Schutts bis zu den Fußböden gelangt war, diese einen merkwürdigen Anblick darboten. Es breitete sich nämlich auf den in festem Gefüge erhaltenen Mosaiken eine Trümmerdecke von gänzlich Zerstückelten aus, die von den Wänden und von der Decke herabgestürzt waren, als der Brand das Gebäude zerstörte. Nichts konnte von diesem, wie es scheint, in reicher Farbengebung ausgeführten Belag wieder zusammengesetzt und erhalten werden. Jedenfalls hat auch hier diese Schutzdecke wesentlich zur Erhaltung der Mosaiken beigetragen.

Auch hier sind 70 Zentimeter unter den neueren alte Mosaiklagen aufgefunden worden, die, nach den bisher freigelegten Probestücken (eigentlich nicht Stücke, sondern Teile eines wohlerhaltenen Ganzen) zu urteilen, in der vornehmen und stilvollen Ornamentik des ersten nachchristlichen Jahrhunderts ausgeführt erscheinen. Gleich beim Betreten der von ONO nach WNW gerichteten Anlage hat man einen Teil dieser allen Mosaiken vor sich, und zwar an dieser Stelle solche, die Bilder darstellen. Zunächst glaubt man vor einer Vorstufe des Hauses zu stehen, man wird aber alsbald gewahr, daß nur ein Teil der Zeichnung zu sehen ist, während das übrige etwa ein Drittel von einer unter dem anstoßenden Gemach der späteren Villa hervortretenden Schuttschicht verdeckt ist. Es sind zwei gesonderte Bilder, die nebeneinandergereiht erscheinen. Das zur linken Hand befindliche zeigt verschiedene Wohn- und Wirtschaftsgebäude einer Stadt. Es wird Aufgabe der Archäologen sein, diejenige zu ermitteln, die der Verfertiger im Sinn hatte. Anhalt dazu mag ein auf dem Bild sichtbarer Triumphbogen darbieten, den eine Quadriga krönt. Vielleicht war Hippo regius selbst gemeint? Perspektive und Zeichnung der Gebäude sind durchaus verfehlt und machen den gleichen kindlichen Eindruck wie die auf ähnlichen Mosaiken im Museum des Bardo zu Tunis zur Schau gestellten. Hier erscheint der Gegensatz zu der Formvollendung der auf den benachbarten Fußböden zur Darstellung gebrachten Tier- und Menschengestalten als ein besonders schroffer. Indes mag der Kenner auch an diesen Stücken Einzelheiten erkennen, die für die Baugeschichte der Epoche erwünschte Beiträge liefern werden. Man sieht da ein großes Wohngebäude mit von Gewölben getragenem Unterbau. Das Erdgeschoß zeigt eine auf Säulen ruhende, im Halbkreis errichtete Vorhalle. Das obere Stockwerk öffnet sich zu einer Art Veranda mit Holzgittern (Muschrabien), davor auch ein mit Säulen gezierter Balkon. Das Ganze deckt ein feuerrotes Ziegeldach. Seitlich lehnen an das Hauptgebäude noch zwei zierliche Nebenbauten. Das andere Bild, rechts von der Stadt- oder Villenansicht, hat den Fischfang und das Meer zum Gegenstand. Eine Barke mit zwei Fischern ist sichtbar. Netze voller Fische hängen im Wasser. Große Felsklippen bezeichnen das Ufer.

In gleicher Weise vollkommen ist das musivische Getäfel in den drei nebeneinanderliegenden und die Breite des Hauptbaus der Villa einnehmenden Gemächern erhalten, die man nach Überschreitung des Bildes des Fischfangs betritt. Es sind zwei große von quadratischer Gestalt, dazwischen ein kleines, schmales, das mit dem Mosaik der »Treibjagd« geziert ist, dem Prunkstück der Villa. Allein schon diese Räume geben eine Vorstellung von dem Luxus, der in ihnen geherrscht haben muß, und man ist versucht, die Villa mit dem prokonsularischen Palast zu identifizieren, der nach dem Zeugnis des heil. Augustinus in Hippo regius vorhanden war, und dessen er in seinen »Bekenntnissen« Erwähnung tut. Vielleicht hat der römische Statthalter (Bonifazius), dessen Residenz eigentlich das neuerstandene Karthago war, hier eine bereits aus alter Zeit vorhandene Prachtvilla für sich in Anspruch genommen. Das rechts gelegene Gemach ist das größte (8 X 7 Meter). Der Fußboden trägt ein mit quadratischem Ornament gezeichnetes Mosaik. Es war ringsum mit Säulen ausgestattet und öffnet sich zu dem 22 Meter langen, auf beiden Seiten von zwei Säulenreihen flankierten Atrium. Das Gemach auf der Linken Seite wird als »Speisesaal« bezeichnet, weil das ornamental gehaltene Mosaik in ihm 17 rundliche Medaillons einschließt, in die Gestalten kulinarisch verwertbarer Tiere eingetragen sind. Die Besitzerin hat an der Südwestecke des Speisesaals, wo das Getäfel einige Beschädigungen aufwies, den Boden sondieren lassen und ist daselbst bei einem Meter Tiefe auf ein älteres Mosaik von großer Schönheit und hohem Kunstwert gestoßen. Der freigelegte Teil enthält in vorzüglichster Erhaltung ein farbenprächtiges Ornament von gehäuftem Akanthuslaub mit darin verwobenen Blumen und heraldisch stilisierten Vogelgestalten. Das Ganze macht den Eindruck eines Gobelins der älteren Renaissance. Es ist ein wahres Prachtstück der Zeichnung und stammt als Zeichnung gewiß aus einer sehr frühen Epoche der musivischen Kunst. Mitten in der gezackten Laubfülle steckt eine Art Kartusche, auf der deutliche lateinische Initialen eingetragen sind, wahrscheinlich einen Namen bedeutend. Man liest: ISGU NTEN ICA, in drei Zeilen angeordnet.

Das säulenreiche Atrium muß in späterer Zeit, vielleicht erst nach der Zerstörung durch die Vandalen, als Kirche benutzt worden sein, wie die eingebauten Taufbecken und Krypten andeuten. Man erwartet von weiteren Grabungen in diesem Bezirk noch die wichtigsten Aufschlüsse. Hinderlich ist vor allem die tiefe Lage (kaum zwei Meter über der Meeresfläche), die den Infiltrationen des nahen Flusses ausgesetzt ist. Eine in der wassererfüllten Tiefe eines Schachtes zwischen Steinblöcken eingefügte geheimnisvolle Bronzekassette hat bisher noch nicht gehoben werden können.

Doch wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung des merkwürdigen Jagdbildes in der kleineren Kammer, dem unter allen in Kleinafrika aufgefundenen Mosaiken entschieden der erste Rang gebührt. Auch in Italien dürfte nichts ihm Vergleichbares an die Seite zu stellen sein, wenn man zu dem kulturgeschichtlichen Wert, den die Einzelheiten der Zeichnung enthüllen, noch die Selbständigkeit der Kunstweise hinzurechnet, die hier mit so zahlreichen und tadellos entworfenen Tiergestalten in die Erscheinung tritt. Diese Unabhängigkeit, die den offenbar an Ort und Stelle und auf Grund eigener Wahrnehmung entstandenen Entwurf kennzeichnet, vermehrt den Reiz des Kunstwerks. Das Mosaik mißt 6 x 3,5 Meter innerhalb der Umrahmung, und sein Erhaltungszustand ist der vollkommenste. Auf den davon gemachten Photographien ist wohl das Gegenständliche einigermaßen zu erkennen, ohne Wiedergabe der Farben ist es aber unmöglich, auch nur annähernd den Eindruck zu vergegenwärtigen, den das Mosaikbild bewirkt.

Das große Treiben, das einen Buschwald im südlichen Landesteil, wahrscheinlich am Südabhang des Auresgebirges zum Schauplatz hatte, ist in jenem Moment spannendster Erwartung ins Auge gefaßt, wo der Kreis der Treiber seinen engsten Zusammenschluß erreicht hat, und wo nun die Bestien wie rasend im ovalen Binnenraum umhertoben. Von den Treibern, die sich unter Vorstrecken brennender Fackeln hinter ihren Schilden bergen, wird keiner sichtbar. Die großen Raubtiere sind durch ein Löwen- und ein Leopardenpaar beiderlei Geschlechts vertreten. Ein dritter Leopard hat einen wehrlosen Mann, der sich vergeblich mit dem Schild zu decken sucht, zu Boden gerissen und zerfleischt ihm das Antlitz. Der Jagdherr ist oben in der linken Ecke sichtbar, hoch zu Roß einhersprengend, seiner Tracht nach kein echter Römer italienischen Bluts, aber vielleicht doch ein Römer in barbarischem Jagdkostüm, eher wohl auch noch ein numidischer Fürst. In der Linken führt er den Schild und zwei Speere, die Rechte ist befehlerisch ausgestreckt. Ein kurzer Purpurmantel wallt um seine Schultern. Das Auffallendste an seiner Tracht sind rote, enganschließende Trikots, die nichts mit den Hosen oder Höschen von Germanen oder Galliern gemein haben. Ein zweiter Reiter im untern Teil des Bildes, der wie jener in der Linken Schild und Speere hält, zeigt die gleiche Tracht, nur sind seine Trikots von grüner Farbe. Beide Reiter haben kleine, kurze Stiefelchen angelegt. Sie reiten ohne Steigbügel, aber die Rosse sind umständlich aufgezäumt. Den oberen Jagdherrn begleitet ein Schild- und ein Speerträger zu Fuß, indem er zwei enteilende Leukoryxantilopen zu verfolgen scheint. Diese in Nubien häufige Art Spießantilope kommt gegenwärtig nur noch vereinzelt in Südtunesien vor. Ganz unten, in der linken Ecke, bewegt sich ein mit zwei Maultieren bespannter zweirädriger Karren, in dem vorn ein mit Schild und Speer bewaffneter Knappe sitzt. Die Figur ist etwas zu groß geraten. Nebenher läuft ein sehr kleiner Pferdeknecht. Zwei Strauße sieht man im vollen Lauf mit erhobenen Flügeln. Einige unkenntlich gewordene Stellen des Mosaiks rühren von dem an ihm haftenden Sand her, den die Besitzerin zum Schutz des Kunstwerks gegen den algerischen Sonnenbrand in dicker Lage über dieses ausbreiten ließ, und der jedesmal, wenn es Besuchern gezeigt werden soll, erst weggefegt werden muß. Das Mosaik wird alsdann, um seine Farbenpracht zur Geltung zu bringen, eigens mit Wasser besprengt. Schnell abtrocknende Stellen werden oft undeutlich.

Am rechten Ende des Jagdbildes sind sehr merkwürdige Dinge zu sehen. Oben in der Ecke sprengt ein Lassowerfer hinter einem Wildesel einher. Die Schlinge hat bereits den Hals des Tieres umfaßt, dessen Eigenart durch zwei parallele schwarze Schulterstreifen sowie durch schwarzgeringelte Unterschenkel gekennzeichnet ist. Wildesel fehlen der heutigen Fauna von Kleinafrika. Die Zeichnung dieser Szene ist voller Leben und Bewegung, die Perspektive der Tiergestalten und des Reiters von meisterhaftem Entwurf. In Verbindung mit den zwischen eingerammten Pfählen ausgespannten Netzen ist ein Verhau von Strauchwerk zu sehen, der sich an diese anlehnt. Am Rande des Verhaues sind an drei Stellen runde Gehege angebracht, wie es scheint Dornhürden, in die verschiedene Tiergruppen eingeschlossen wurden. In dem obersten Gehege sieht man Wildesel der erwähnten Art mit gebänderten Beinen, im mittleren erscheinen Mähnenschafe, es sind die heute noch im Auresgebirge besonders häufigen Mufflons, und im untersten Gehege stecken Kuhantilopen (Bubales), sogenannte Berberkühe, die in Nordafrika gegenwärtig nur noch auf den westlichen Teil von Algerien beschränkt sind. Unter dem Lassowerfer ist eine Mauer gezeichnet, hinter der hohe Bäume emporragen. In der rechten Ecke unten ist für die Jagdherren ein aus purpurrotem Stoff hergestelltes Zelt errichtet, daneben ist ein Baum gezeichnet, unter dem ein großer Kessel auf dem Feuer steht. Der aufwartende Knecht, ein kaffeebrauner Getuler in kurzem, weißem Hemdchen, scheint aus einem aufgehängten Schlauch eine Schale gefüllt zu haben, die er in der Rechten hält. Hinter einem Felsblock sieht man in der Nähe zwei Männer hocken, deren Tun nicht verständlich ist.

Eine Fortsetzung der Grabungen ergab noch manches Hochinteressante. Noch größere Ausbeute ist zu erwarten, wenn erst einmal alle Gehänge des Fortinflügels in Angriff genommen werden. Dort stehen namentlich auch altphönizische Überbleibsel in Aussicht, denn der rätselhafte Blockbau, der im Chevillotschen Garten gefunden worden, setzt sich auf dem Grundstück der Mme. Dufour fort und verzweigt sich daselbst zu sonderbaren Kammern. In einem der Gebäude des »Fortin« hat sich die Besitzerin ein Museum eingerichtet, das die Kleinfunde beherbergt, die bei den Ausschachtungen gefunden wurden, namentlich Terrakotten, Lampen, Wagschalen und anderes Hausgerät aus Eisen und Bronze. Dort sind auch Brocken des von den Wänden und Decken der eingestürzten Gemächer der Villa abgefallenen Steingetäfels niedergelegt. Der Mangel an Statuen und die Seltenheit der Skulpturen überhaupt müssen auch hier wundernehmen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Afrikanisches Skizzenbuch