Adolf Menzel - Ausgewählte Handzeichnungen mit einer Einleitung von Bock, Elfried (1875-1933)

Die Skizzenbücher
Autor: Menzel, Adolf von (1815-1905) Maler, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunst und Kultur, Malerei, Zeichnungen, Porträts, Künstlergeschichte,
MENZELS mit unfehlbarer Mechanik geschaffenes Alterswerk ist es nicht, was wir suchen und verehren. Freilich ist dieser sichere Altersstil sein wohlerworbenes Eigentum. Aber das virtuose Gleichmaß, das alle Aufgaben mit denselben Mitteln bewältigt, so dass nur das Motiv zu wechseln scheint, macht müde und scheu. Unsere Liebe gehört der Zeit seines Kampfes.

Ein Menschenalter rang er, mit Stift und Pinsel, um die Formen und Farben der sichtbaren Welt, überall Probleme suchend und findend. Sein Grundsatz war, sich aus allem eine künstlerische Aufgabe zu machen.

Er sah das höchste Ziel des Malers und seine eigene Mission in der historischen Kunst. Und war doch, seiner Anlage nach, ein Zeichner und Maler des Tages. Damit ist die zwiespältige Bedeutung seiner Geschichtsmalerei berührt. Er schuf seine Bilder einer vergangenen Zeit — ich denke nur an die friderizianischen Werke — nicht mit den hergebrachten akademischen Mitteln, Requisiten der Rüstkammer, künstlichem Pathos, falschem Theater, ging vielmehr erst ans Werk, als er sich die Zeit durch Vorstudien lebendig gemacht hatte. Er nahm die geschichtlichen Denkmäler, vom monumentalen Bauwerk bis zur Achselklappe, bis zur lächerlichsten Einzelheit in sich auf und erweckte die historischen Persönlichkeiten durch das Studium seiner eigenen Umwelt zu Zeitgenossen, indem er aus seiner Zeit ihr Leben verständlich machte. Dadurch erhielten seine Bilder ihre vielleicht nur scheinbare, aber zwingende Wahrheit und sind zum bleibenden und volkstümlichen Typus geworden.

Dieses Studium ist sein Wesen und einer der packendsten Kämpfe der Künstlergeschichte.

Ein Kampf, der einen mit schärfstem Auge und folgsamster Hand begabten Mann zu schrankenlosem technischen Können führte und — schließlich — zu einem Zeichner von wahlloser Manie machte.

Das Zeichnen nach der Natur war seit langem auch an der Berliner Akademie im Schwange.

Und Menzels Anfänge stehen durchaus unter dem von Ort und Zeit gegebenen Einflüsse.

Seine skrupulöse Gewissenhaftigkeit kam sogar der bürgerlichen Exaktheit eines Krüger und seiner Altersgenossen entgegen, und lange blieb ein wahrnehmbarer Rest dieses örtlichen und zeitlichen Stiles an ihm haften. Während aber das akademische Naturstudium nur als die Probe auf das schulmäßig gelernte und gelöste Exempel betrieben und bewertet wurde, nahm Menzel, der lieber hinter die Schule ging, das unbefangene Ansehen der Dinge in der Natur zum Ausgangspunkt. Er gelangte, unter Verzicht auf jede Bequemlichkeit schematischer Formen und gefälliger Verhübschungen in der Darstellung der figürlichen und natürlichen Form, zu einer rücksichtslosen Schärfe des Charakterisierens.

Seinen Stil, den man richtig einen männlichen nennt, schuf er sich gewalttätig und doch ungewollt selber. Wenn auf irgendeinen, so passt auf ihn das Wort des deutschesten Dichters:

Wir selbst sind nichts, was wir suchen, ist alles. Aber das Betonen des Ungeschmeidigen, Herben, Herrischen, das jedem Strich seiner Zeichnung ebensowohl innewohnt wie seiner Handschrift, ist doch ein unbewusstes Sichauflehnen gegen die ihm von einer ungütigen Natur verliehene Zwergengestalt, die ihm menschliche Bitternis und Entsagung auferlegte. Erhielt durch dieses Anstemmen seine Kunst ihren Charakter, so war er doch ein viel zu inbrünstiger Wahrheitssucher, als dass er eine bestimmte Formensprache angestrebt hätte. Seine gespannte Anschauungsweise suchte die Sache. Der Ausdruck musste sich aus ihr selber ergeben, ebenso wie die Ausdrucksmittel, um die er sich dann freilich leidenschaftlich bemühte. Seine Darstellung sollte rein natürlich sein, ohne jede beabsichtigte Stilisierung, wie man sie durch bestimmte Linien- oder Fleckengruppierungen oder Punktierungen erreichen kann. Zeichnend begriff er, was er sah, wie den Gelehrten der schriftliche Ausdruck erst zur letzten Klarheit zwingt.

Obwohl sein gezeichnetes Werk genug der Vorstudien zu geplanten Arbeiten birgt, so ist er doch nicht eigentlich ein zweckhafter Zeichner, wie etwa Leonardo da Vinci, der trotz
stärkster Fruchtbarkeit mit fast jeder Zeichnung einer bestimmten Aufgabe zuarbeitete.

Menzel übt sich in aller erdenklichen Art Zeichnung, um für den gegebenen Fall das gegebene Mittel zu beherrschen. Möglicherweise ist er damit als zu zielbewusst hingestellt, doch glaubt man eine harte Konsequenz zu fühlen. Alles greift er mit gleicher Gespanntheit an. Seine hundert Skizzenbücher führen uns tief in sein Arbeiten ein. In günstiger Verfassung schafft er ganze Reihen von Bewegungs- und Naturstudien, in unfehlbarer Sicherheit, ohne einen überflüssigen Strich, fast blendend in ihren Kontrasten von Licht und Schatten, so dass es aussieht, als habe die Natur sein empfindliches Auge geradezu überfallen. In andren Fällen jagt er, nervös, gereizt, wie in Angst, den vorüberhuschenden Augenblick zu verpassen, zahllose Striche übereinander, als wollte er nicht die Ruhe in der Bewegung, sondern deren wechselnde Stadien an einer und derselben Figur festhalten. Dann wieder steht er einem Menschentyp oder einer Tierart zunächst verständnislos, ratlos gegenüber, beginnt mit gequält verzeichneten Versuchen und rastet nicht, bis er Formen und Funktionen begriffen hat.

Mit den Holzschnittbildern zu Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen hat er der deutschen Kunst eine neue Art malerischer Zeichnung gegeben. In ihnen hat sich die Bitterkeit seiner sachlichen Schaffensweise zur Harmonie aufgelöst. Seine sonst karge Phantasie wird durch die junge Liebe zu dem großen Stoffe beschwingt. Die Inbrunst schenkt ihm den neuen Stil. Die erregte Lebendigkeit der Linien und Flecken, abseits von akademischen Regeln die Beweglichkeit natürlichen Lebens vortäuschend, verleiht den Holzschnitten bildhafte Farbe, wie sie mit ähnlicher Eindringlichkeit, aber auf gegensätzliche Weise, vorher vielleicht nur Holbein erreicht hat. Das größte Jahrzehnt seines Lebens leitet Menzel damit ein. Der Bleistift bleibt zeitlebens seine liebste Waffe. Zuerst der schärfste und feinste, der die Berücksichtigung zartester Einzelheiten gestattet oder auch verlangt, mit dem er auf dem Papier wie auf dem Holzstock zeichnete, später, mit zunehmender Breite und Vereinfachung des Stiles, das samtweiche, tiefschwarze Zimmermannsblei, das, mit der vertreibenden Hilfe des Wischers, die Linien in tonige Flächen zusammenzieht. Und daneben verschmähte er kein noch so entlegenes Kunstmittel der Zeichentechnik, um eine neue Ausdrucksnote zu erzwingen. Die farbig wirkende Erscheinung mancher Kuglerholzschnitte kann man impressionistisch nennen, Vorläufer jener in der nächstfolgenden Zeit gemalten Freiluftstudien, mit denen er der Entwicklung des malerischen Sehens in Deutschland weit Vorgriff.

Als Maler hat Menzel, bei allmählichem Übergang zu modernen Stoffen, seine Leistung noch bis zu dem traditionslosen Eisenwalzwerk steigern können. Den Zeichner aber hat der mächtige Impetus der vierziger und fünfziger Jahre nicht zu einem solchen Weiterwachsen geführt, wie man erwarten sollte. Er scheint in einem Alter, da andre noch weiter kämpfen, sich im Besitz des Erreichbaren geglaubt zu haben. Er hat es sich in diesem Besitz bequemer gemacht, als man einem großen Meister zubilligen möchte. Seine Gabe, dem Geringsten eine künstlerische Gestaltungsmöglichkeit abzugewinnen, setzte seinem schöpferischen Vermögen auch die Grenze. Jedes Objekt wurde ihm der gleichen Bemühung wert, aber neue Probleme für die Wahrhaftigkeit der Wiedergabe fand er nicht. Er sah keine Schwierigkeiten mehr.

So schwer zugänglich er als Mensch war, so leicht hat er uns durch das gezeichnete Werk den Zugang zu seinem innersten Wesen gemacht. Seine Künstlerfahrt war ihm ein schmerzliches Glück, bis sie in den breiten Strom reifen Genügens ausmündete.


VERZEICHNIS DER TAFELN



1. Bildnis eines Herrn. 1827. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

2. Singende Gemeinde. Um 1832. Bleistift. Sammlung Lewin, Breslau.

3. Die Schlacht bei Mollwitz. 1835. Tuschpinselzeichnung. 25:34 cm. Vorlage für einen der Steindrucke in den Denkwürdigkeiten zur brandenburgisch-preußischen Geschichte. Nationalgalerie, Berlin.

4. Baumstudie. 1841. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

5. Arbeitszimmer Friedrichs d. Gr. im Stadtschloss zu Potsdam. 1840. Bleistift. Vorlage für einen Holzschnitt in Kuglers Geschichte Friedrichs d. Gr. Nationalgalerie, Berlin.

6. Die Gemäldegalerie in Sanssouci. 1842. Bleistift, auf den Holzstock gezeichnet. Für Kuglers Geschichte Friedrichs d. Gr. bestimmt, aber nicht geschnitten. Besitzer Erben W. Mendelssohn, Leipzig.

7. Mutter mit ihrem Kinde auf dem Schoß. 1842. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

8. Landschaft bei Jauer. 1844. Tuschpinsel. Kupferstichkabinett, Dresden.

9. Bücherregal. 1844. Bleistift. 27:21cm. Nationalgalerie, Berlin.

10. Frau Kriegsgerichtsrat Martini. 1844. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

11. Die Berlin- Potsdamer Eisenbahn. 1845. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

12. Schlafender (Richard Menzel?) im Bett. 1840er Jahre. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

13. Brüstung im Park von Sanssouci. Um 1845. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

14. Strickende Dame. 1846. Bleistift. Aus einem Skizzenbuch. Nationalgalerie, Berlin.

15. Ballfest. Um 1850. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

16. Im Park von Rheinsberg. 1840er Jahre. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

17. Bildnis der Frau Meyerheim. 1847. Deckfarbenmalerei. Nationalgalerie, Berlin.

18. Familie Puhlmann. Vor 1848. Sepia und Bleistift. 35:46 cm. Sammlung Ginsberg, Berlin.

19. Louis v. Wildenbruch im Triokonzert. 1849. Schwarze und farbige Kreide. Sammlung v. Nostitz- Wallwitz, Wilhelmshagen.

20. Klavierspieler (Richard Menzel). 1852. Schwarze und weiße Kreide auf braunem Papier. 32:26 cm. Studie für die Figur des Ph. E. Bach im Flötenkonzert. Nationalgalerie, Berlin.

21. Paar im Gemüsegarten. Um 1855. Aus rauchgeschwärztem Grund ausgekratzt, sog. Blakblatt. Sammlung Ginsberg, Berlin.

22. Maximilian von Ungern-Sternberg. 1853. Pastell. 29:22 1/2 cm. Sammlung Ginsberg, Berlin.

23. Weibliche Modellstudie. 1861. Schwarze und weiße Kreide auf braunem Papier. Studie zu der Guasche : Friedrich bei Pesne auf dem Malgerüst. Nationalgalerie, Berlin.

24. Dame am Klavier. 1860er Jahre. Kohle, schwarze und weiße Kreide auf braunem Papier. 40 : 29 l/2 cm. Nationalgalerie, Berlin.

25. Staatsminister Graf Maximilian Schwerin. 1864. Deckfarbenmalerei. 30:22 1/2 cm. Studie für das Krönungsbild. Nationalgalerie, Berlin.

26. Studien vom Hofball. 1870er Jahre. Bleistift. 28:23 cm. Nationalgalerie, Berlin.

27. Krigar am Klavier. Um 1872. Bleistift. Privatbesitz, Berlin.

28. Villa Hermann in Hof-Gastein. 1874. Bleistift. Sammlung Julius Freund, Berlin.

29. Weibliche Akte. 1882. Bleistift. 22V 2 :29cm. Nationalgalerie, Berlin.

30. Straßendurchblick. 1880er Jahre. Bleistift. Nationalgalerie, Berlin.

31. Drei Frauen. 1892. Bleistift. 24 1 / I :32 1 / 8 cm. Nationalgalerie, Berlin.

32. Selbstbildnis. 1882. Bleistift. 28:22 cm. Nationalgalerie, Berlin.



Die Wiedergabe der Zeichnungen erfolgt mit Genehmigung von F. Bruckmann A.-G., München, und E. A. Seemann, Leipzig (No. 5. 6. 13).

032 Menzel, Selbstbildnis

032 Menzel, Selbstbildnis

001 Bildnis eines Herrn

001 Bildnis eines Herrn

002 Singende Gemeinde

002 Singende Gemeinde

003 Die Schlacht bei Mollwitz

003 Die Schlacht bei Mollwitz

004 Baumstudie

004 Baumstudie

005 Arbeitszimmer Friedrichs d. Großen im Stadtschloss zu Potsdam

005 Arbeitszimmer Friedrichs d. Großen im Stadtschloss zu Potsdam

006 Die Gemäldegalerie in Sanssouci

006 Die Gemäldegalerie in Sanssouci

007 Mutter mit ihrem Kinde auf dem Schoß

007 Mutter mit ihrem Kinde auf dem Schoß

008 Landschaft bei Jauer

008 Landschaft bei Jauer

009 Bücherregal

009 Bücherregal

010 Frau Kriegsgerichtsrat Martini

010 Frau Kriegsgerichtsrat Martini

011 Die Berlin-Potsdamer Eisenbahn

011 Die Berlin-Potsdamer Eisenbahn

012 Schlafender (Richard Menzel) im Bett

012 Schlafender (Richard Menzel) im Bett

013 Brüstung im Park von Sanssouci

013 Brüstung im Park von Sanssouci

014 Strickende Dame

014 Strickende Dame

015 Ballfest

015 Ballfest

016 Im Park von Rheinsberg

016 Im Park von Rheinsberg

017 Bildnis der Frau Meyerheim

017 Bildnis der Frau Meyerheim

018 Familie Puhlmann

018 Familie Puhlmann

019 Louis v. Wildenbruch im Triokonzert

019 Louis v. Wildenbruch im Triokonzert

020 Klavierspieler

020 Klavierspieler

022 Maximilian von Ungern-Sternberg

022 Maximilian von Ungern-Sternberg

023 Weibliche Modellstudie

023 Weibliche Modellstudie

024 Dame am Klavier

024 Dame am Klavier

025 Staatsminister Graf Maximilian Schwerin

025 Staatsminister Graf Maximilian Schwerin

026 Studien vom Hofball

026 Studien vom Hofball

027 Krigar am Klavier

027 Krigar am Klavier

028 Villa Hermann in Hof-Gastein

028 Villa Hermann in Hof-Gastein

029 Weibliche Akte

029 Weibliche Akte

030 Straßendurchblick

030 Straßendurchblick

031 Drei Frauen

031 Drei Frauen