Abfahrt einberufener österreichischer Reservisten. 1915

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 4. 1915
Themenbereiche
Enthaltene Themen: 1. Weltkrieg, Österreich, Reservisten, Abschied, Volk, Reich, Kaiser und Vaterland, Fahnen, Begeisterung, Bewusstsein, Sieg, Heimkehr
Wie die Unseren, so sind auch unsere österreichischen Brüder mit einer einmütigen Begeisterung zu den Fahnen geeilt, wie sie nur das Bewusstsein des Rechtes erzeugt, das Bewusstsein, dass in diesem uns aufgezwungenen Weltkrieg nicht um dynastische Interessen oder Machtgelüste einzelner gekämpft wird, sondern um unseren Bestand als Volk, den man vernichten will, um die Möglichkeit einer zukünftigen ersprießlichen Weiterentwicklung; und im Herzen jedes einzelnen lebt der feste Wille und Entschluss: wir wollen, wir müssen siegen gegen eine ganze Welt von Feinden, und der letzte Mann und der letzte Taler muss darangesetzt werden für Kaiser und Reich.

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Wenn auch der bittere Abschiedsschmerz von den Lieben, die zurückbleiben, von Weib und Kind, Verlobten und Geschwistern einen Augenblick das Herz zusammenkrampfen und die Träne ins Auge treiben will, so wird doch diese natürliche Erregung schnell überwunden im Rausch der allgemeinen Begeisterung, und in dem stolzen Gefühl, sein Blut und Leben ebenfalls einsetzen zu dürfen fürs Vaterland, geht jede unmännliche Schwäche unter. Auf allen größeren Bahnstationen des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns hat man wohl Vorgänge beobachten können, wie den, den uns unser Bild auf Seite 87 anschaulich vor Augen führt. Die einberufenen Reservisten scheiden. Die Fahnen der Vereinsbrüder, die die abfahrenden Freunde noch bis zum Bahnhofe begleitet haben, flattern, die Musik stimmt als Weihelied „Gott erhalte Franz den Kaiser“ oder „Deutschland, Deutschland über alles“ an, vom letzter Händedruck, ein letzter Kuss, ein letztes Abschiedswort! — und unter den schmetternden Klängen, dem Hurra der Abfahrenden wie der Zurückbleibenden und dem Wehen der Taschentücher und Schwenken der Hüte setzt sich der Zug nach dem nächsten Garnisonsort in Bewegung. Das Schicksal sei euch günstig, ihr tapferen Kämpfer, und gestatte euch eine glückliche Heimkehr!

Abfahrt einberufener österreichischer Reservisten

Abfahrt einberufener österreichischer Reservisten