Nikolaus Palander geht verloren

Mit Tagesanbruch landete die Schaluppe am nördlichen Ufer des Sees. Dort war keine Spur von Eingeborenen. Oberst Everest und seine Begleiter, die sich schußbereit gemacht hatten, entluden ihre Gewehre wieder, und die ›Königin und Zar‹ legte sich in eine kleine, zwischen Felswänden ausgehöhlte Bucht.

Der Buschmann, Sir John Murray und einer der Seeleute durchstreiften die Umgebung. Die Gegend war verlassen; es fand sich keine Spur der Makololos, aber zum Glück für die hungernde Gesellschaft fehlte es nicht an Wild. Im hohen Gras der Weidestätten und verdeckt von Buschwerk zeigten sich Herden von Antilopen. Dazu waren die Ufer des Ngami von einer großen Anzahl Wasservögel, aus der Familie der Enten, bevölkert. Mit reicher Beute kamen die Jäger zurück. Oberst Everest konnte sich nun samt seinen Gefährten an dem schmackhaften Wildbret sättigen, das ihnen nun nicht wieder fehlen würde.


Vom Morgen des 5. März an wurde nun das Lager an der Küste des Ngami und am Ufer eines kleinen Flusses unter dem Schutz hoher Weidenbäume aufgeschlagen. Der mit dem Foreloper verabredete Ort des Zusammentreffens war eben dieses nördliche Seeufer, das hier zu einer kleinen Bucht ausgeweitet war. Dort wollten Oberst Everest und Mathieu Strux ihre Kollegen erwarten, und es war anzunehmen, daß letztere den Weg rückwärts unter besseren Bedingungen und schneller zurücklegen würden. Es traten also einige Tage erzwungener Ruhe ein, über die sich nach so vielen Anstrengungen niemand beklagte. Nikolaus Palander machte sie sich zunutze, um die Ergebnisse der letzten Triangulation zu berechnen. Mokum und Sir John ergötzten sich an der Jagd in dieser wildreichen, wohlbewässerten und fruchtbaren Gegend, die der ehrenwerte Engländer gern für die britische Regierung angekauft hätte.

3 Tage nachher, am 8. März, kündigten Flintenschüsse die Ankunft der Truppe des Forelopers an. William Emery, Michael Zorn, die beiden Seeleute und der Buschmann kamen in voller Gesundheit zurück.

Sie brachten auch ihren Theodoliten unversehrt wieder, der nun der einzige war, der der anglo-russischen Kommission noch zur Verfügung stand.

Mit unbeschreiblicher Freude wurden die beiden jungen Gelehrten aufgenommen; man sparte nicht mit Glückwünschen. Mit wenigen Worten berichteten sie ihre Reise. Der Hinweg war sehr schwierig gewesen. In den ausgedehnten Wäldern, die vor der bergigen Region lagen, hatten sie sich 2 Tage lang verirrt; da sie kein genaues Merkzeichen hatten und nur nach den unsicheren Angaben des Kompaß vorwärtsdrangen, hätten sie ohne den Scharfsinn ihres Führers den Volquiria wohl nie erreicht. Immer und nach allen Seiten hatte sich die Intelligenz und Ergebenheit des Forelopers erwiesen. Die Besteigung des Piks war sehr mühsam gewesen. Daher waren die Verzögerungen gekommen, von denen die jungen Leute nicht weniger ungeduldig zu leiden hatten, als ihre Kollegen auf dem Scorzef. Endlich hatten sie den Gipfel des Volquiria zu erreichen vermocht. Der elektrische Leuchtapparat wurde während des Tages am 4. März instand gesetzt, und während der Nacht vom 4. zum 5. erglänzte sein durch eine große Reverbere verstärktes Licht zum erstenmal auf der Spitze des Pik. Die Beobachter auf dem Scorzef hatten es also wohl in dem Augenblick, wo es aufblitzte, wahrgenommen.

Ihrerseits hatten Michael Zorn und William Emery das intensive Licht leicht bemerkt, das auf dem Gipfel des Scorzef infolge des Wartturmbrands leuchtete. Sie hatten mit dem Theodoliten seine Richtung bestimmt und so die Messung des Dreiecks beendet, dessen Spitze sich auf den Pik Volquiria stützte.

»Und die geographische Breite dieses Piks?« fragte Oberst Everest William Emery, »haben Sie diese aufgenommen?«

»Ganz genau, Oberst«, erwiderte der junge Astronom, »durch ganz sichere Sternbeobachtungen.«

»Nun, und der Pik liegt... ?«

»Unter 19° 37' 35,337" also um nahezu genau 337 Tausendstel einer Sekunde«, antwortete William Emery.

»Nun, meine Herren«, sagte der Oberst, »so ist unsere Aufgabe gewissermaßen gelöst. Wir haben mittels 63 Dreiecken einen Bogen von mehr als 8 Grad gemessen, und wenn die Ergebnisse unserer Arbeiten berechnet sein werden, kennen wir genau die Größe eines Breitengrads und folglich auch die des Meters auf diesem Teil der Erdkugel.«

»Hurra! Hurra!« riefen die in derselben Empfindung vereinigten Engländer und Russen.

»Jetzt«, fügte Oberst Everest hinzu, »haben wir nur, indem wir dem Lauf des Zambesi abwärts folgen, den Indischen Ozean zu erreichen. Ist das nicht auch Ihre Meinung, Herr Strux?«

»Jawohl, Oberst«, antwortete der Astronom von Pulkowo, »aber ich bin der Ansicht, daß unsere Arbeiten noch einer mathematischen Kontrolle bedürfen. Ich schlage also vor, das trigonometrische Netz nach Osten hin zu verlängern, bis wir eine für die direkte Messung geeignete neue Basis gewinnen. Die Übereinstimmung, die die einmal berechnete, das andere Mal gemessene Länge dieser Basis zeigen wird, dürfte uns allein den Grund der Genauigkeit unserer Operationen bestimmen lassen.«

Mathieu Strux’ Vorschlag wurde ohne Widerrede angenommen. Diese Kontrolle der ganzen Reihe der trigonometrischen Arbeiten von der ersten Basis ab war unbedingt erforderlich. Man kam demnach überein, nach Osten hin eine Reihe von Hilfsdreiecken zu konstruieren, bis man imstande sein würde, eine Seite eines solchen Dreiecks mit dem Platinmaß direkt zu vermessen. Die Dampfschaluppe, die einen der Zuflüsse des Zambesi hinabfuhr, sollte die Astronomen unterhalb der berühmten Fälle dieses Stroms, der ViktoriaFälle, erwarten.

Nachdem alles in dieser Weise geordnet war, brach die kleine Truppe unter Führung des Buschmanns am 6. März mit Sonnenaufgang auf, während vier von den Seeleuten sich auf der ›Königin und Zar‹ einschifften. In der Richtung nach Westen waren Stationen unter den schon gemessenen Dreiecken ausgewählt worden, und man durfte hoffen, daß das Hilfsnetz in diesem an Visierpunkten sehr reichen Landstrich leicht zu entwerfen sein würde. Der Buschmann hatte sich sehr geschickt eines Quagga, einer Art Wildpferd mit braun und weißer Mähne und rötlichem, zebraartig gestreiftem Rücken, bemächtigt, und benutzte es als Lasttier, welches das Gepäck der Karawane, den Theodoliten, die Richtscheite und die zur Basismessung bestimmten Böcke, die zum Glück mit der Schaluppe gerettet worden waren, tragen mußte.

Die Reise ging schnell vonstatten und die Arbeiten vermochten die Beobachter nur wenig aufzuhalten. Für die Hilfsdreiecke von mäßiger Ausdehnung fanden sich in diesem hügligen Land leicht die nötigen Hauptpunkte. Das Wetter blieb günstig, so daß man seine Zuflucht nicht zu nächtlichen Arbeiten zu nehmen brauchte. Fast immer konnten sich die Reisenden unter dem hohen Baumwuchs schützen, der aus dem Boden emporstieg. Dazu hielt sich die Temperatur in mäßigen Graden, und unter dem Einfluß der Feuchtigkeit, den fließende und stehende Gewässer in der Luft unterhielten, erhoben sich einige Dämpfe, welche die Strahlen der Sonne milderten.

Daneben lieferte die Jagd alle Bedürfnisse der kleinen Karawane, und von Eingeborenen war keine Rede. Wahrscheinlich hausten die räuberischen Horden mehr im Süden des Ngami.

Die Verhältnisse zwischen Mathieu Strux und Oberst Everest riefen keine weiteren Erörterungen hervor. Die persönlichen Eifersüchteleien schienen vergessen zu sein. Gewiß bestand kein eigentlich inniges Einvernehmen zwischen den beiden Gelehrten, aber der Sachlage nach konnte man nicht mehr von ihnen verlangen.
Während 21 Tagen, vom 6. bis zum 27. März, trug sich kein nennenswertes Ereignis zu. Man suchte vor allen Dingen eine geeignete Stelle zur Messung einer Basis, aber diese bot die Landschaft nicht. Zu diesem Zweck war ein mehrere Meilen langes, ebenes und horizontales Stück Land nötig, aber die Unebenheiten des Bodens, die der Auswahl der Visierpunkte so günstig waren, behinderten gleichzeitig die direkte Messung der Basis. Man ging immer nach Nordosten zu und folgte manchmal dem rechten Ufer des Chobe, eines der Hauptzuflüsse des oberen Zambesi, um so Maketo, den Hauptflecken der Makololos, sicher zu meiden.

Ohne Zweifel konnte man also annehmen, daß die Rückkehr unter günstigen Bedingungen stattfinden und die Natur den Astronomen keine weiteren materiellen Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg legen würde, daß also die Zeit der Prüfungen vorbei war. Oberst Everest und seine Begleiter durchzogen jetzt eine relativ bekannte Gegend und wollten nicht zaudern, die Flecken und Dörfer am Zambesi zu erreichen, die Doktor Livingstone kurz vorher besucht hatte. Sie glaubten also nicht ohne Grund, daß der schwierigste Teil ihrer Arbeit überwunden sei. Sie täuschten sich damit wohl auch nicht, und doch hätte ein Zufall, dessen Folgen von höchster Wichtigkeit werden konnten, beinah den Erfolg der ganzen Expedition aufs Spiel gesetzt.

Nikolaus Palander war der Held oder vielmehr das Opfer dieses Abenteuers.

Wir wissen, daß der unverzagte, aber unbedachtsame Rechner, der ganz in seine Zahlen vertieft wurde, nicht selten weit von seinen Begleitern abkam. In ebenem Land hatte diese Gewohnheit keine besondere Gefahr, denn man kam bald auf die Fährte des Abwesenden. In holzreicher Gegend konnte dieses Umherschweifen Palanders aber von bedenklichsten Folgen sein. Mathieu Strux und der Buschmann machten ihm auch in dieser Hinsicht tausendmal Vorstellungen. Nikolaus Palander versprach, sich danach zu richten, war aber über dieses Übermaß an Vorsicht höchlichst erstaunt. Der würdige Mann merkte seine Zerstreuung selbst nicht.

Da fiel es an jenem Tag, dem 27. März, Mathieu Strux und dem Buschmann auf, daß sie Nikolaus Palander seit mehreren Stunden nicht gesehen hatten. Die kleine Truppe durchzog mehrere Holzungen, die mit vielen niedrigen und dichten Bäumen besetzt waren und so den Ausblick ungemein behinderten. Dort war es besonders nötig, geschlossen beisammenzubleiben, denn es war sehr schwer, die Spuren einer im Wald verirrten Person wieder aufzufinden. Nikolaus Palander aber, der nichts sah und nichts vorhersah, war, den Bleistift in der einen, seine Register in der andern Hand, erst an der linken Seite der Gesellschaft gegangen, bald aber vollständig verschwunden.

Man denke sich die Unruhe von Mathieu Strux und seiner Begleiter, als sie um 4 Uhr nachmittags Nikolaus Palander noch nicht wieder bei sich sahen. In ihnen war die Erinnerung an die Krokodile noch lebhaft, und unter allen war wohl der zerstreute Rechner der einzige, dem sie entschwunden war!

In der kleinen Gesellschaft herrschte also große Angst, und gleichzeitig wurde sie gehindert, weiterzuziehen, bevor Nikolaus Palander wieder aufgefunden war.

Man rief laut. Vergeblich. Der Buschmann und die Seeleute zerstreuten sich auf einen Umkreis einer Viertelmeile, schlugen auf die Büsche, trieben den Wald ab, durchforschten die hohen Gräser, feuerten die Gewehre ab – ohne Erfolg. Nikolaus Palander erschien nicht.

Die Unruhe aller stieg aufs höchste, und bei Mathieu Strux gesellte sich zu dieser Unruhe noch eine tiefgehende Erbitterung gegen den unglücklichen Kollegen. Es war nun das zweite Mal, daß ein solcher Fall durch Nikolaus Palanders Verschulden vorkam, und wirklich, wenn Oberst Everest sich dafür hätte an ihn halten wollen, so hätte er, Mathieu Strux, nichts zu erwidern vermocht.

Unter diesen Umständen war demnach nur der eine Entschluß zu fassen, sich in dem Gehölz zu lagern und die genauesten Nachforschungen anzustellen, um den Rechner wiederzufinden.

Der Oberst und seine Begleiter waren eben im Begriff, an einer ziemlich großen Lichtung haltzumachen, als ein Schrei – ein Schrei, der gar nicht von einem Menschen herzurühren schien – einige hundert Schritt weit zur Linken im Gehölz hörbar wurde. Gleich darauf wurde Nikolaus Palander sichtbar.

Er lief, so schnell ihn die Beine tragen wollten. Er war im bloßen Kopf, mit fast zu Berge stehendem Haar, und hatte seine meisten Kleider eingebüßt, von denen noch einige Fetzen seine Lenden bedeckten.

Der Unglückliche kam bei seinen Gefährten an, die ihn mit Fragen bestürmten. Aber mit weitaufgerissenem Auge, erweiterten Pupillen, eingefallenen Nasenflügeln, welche die unvollkommene, stoßweise Respiration hinderten, war der Arme gar nicht imstande zu sprechen. Er wollte antworten, brachte aber kein Wort heraus.

Was war geschehen? Woher kam diese Bestürzung, dieser Schreck, deren zweifellose Anzeichen Nikolaus Palander in so hohem Grad zeigte? Niemand wußte, was davon zu halten war.

Endlich konnte Palander fast unvernehmlich die Worte vorbringen:

»Die Register! Die Register!«

Bei diesen Worten schauderten die Astronomen, einer wie der andere, zusammen. Man denke! Die beiden Register, worin das Resultat aller trigonometrischen Arbeiten eingetragen war, wovon der Rechner sich nie trennte, selbst im Schlaf nicht! Diese fehlten, Nikolaus Palander hatte sie nicht mehr! Was war aus ihnen geworden? Mußte man alles von neuem vornehmen?

Während die anderen sich voll Schrecken schweigend ansahen, ließ Mathieu Strux seinem Zorn freien Lauf. Wie mißhandelte, wie schimpfte er den Armen!

Auf alles hatte Nikolaus Palander als Antwort nur ein Kopfschütteln.

»Aber hat man sie denn entwendet?« fragte endlich Oberst Everest.

»Einerlei!« rief Mathieu Strux außer sich. »Warum ist der Tropf nach all unsern Ermahnungen nicht bei uns geblieben?«

»Ja«, erwiderte Sir John, »aber man muß doch wissen, wo sie hingekommen sind. Hat man sie Ihnen geraubt, Herr Palander?«

Der bejahte mit einem Zeichen.

»Und wer hat sie geraubt? Waren’s Makololos?«

Nikolaus Palander verneinte.

»Europäer, Weiße?« fragte Sir John weiter.

»Nein«, erwiderte Nikolaus Palander mit beklommener Stimme.

»Aber wer denn?« rief Mathieu Strux mit geballter Faust.

»Nein! Keine Eingeborenen, keine Weißen – es waren Paviane.«

Wahrhaftig, wäre es nicht eine so ernste Sache gewesen, sie hätten bei dieser Äußerung alle aufgelacht! Affen hatten Nikolaus Palander beraubt!
Der Buschmann erzählte seinen Gefährten, so etwas komme oft vor. Soviel er wisse, seien Reisende schon manchmal von Chacmas, die zu den Pavianen gehören und in zahlreichen Scharen beisammenleben, geplündert worden.

Inzwischen gab der Buschmann seinen Rat. Er allein war kaltblütig, die Europäer ohne Ausnahme voll Bestürzung.

»Meine Herren«, sagte der Buschmann, »jede Sekunde ist kostbar; wir dürfen keine einzige verlieren. Verfolgen wir unverzüglich die Räuber! Da die Register nichts zum Fressen sind, werden wir wohl, wenn wir die Täter finden, auch die Register wiederbekommen!«

Ein Hoffnungsstrahl, den man nicht erlöschen lassen durfte. Nikolaus Palander kam bei diesem Vorschlag wieder zu vollem Bewußtsein. Er bekleidete sich rasch mit geliehenen Matrosenkleidern und war schnell bereit, seine Genossen zum Schauplatz der Tat zu führen.

Noch denselben Abend änderte man nach Angabe des Rechners die Richtung des Weges.

Weder diese Nacht noch am folgenden Tag ergab sich ein Resultat. An manchen Stellen erkannten der Buschmann und der Foreloper frische Spuren von Affen. Nikolaus Palander sagte aus, er habe mit einem Dutzend von ihnen zu tun gehabt. Man schritt also mit äußerster Vorsicht voran und hielt sich stets verdeckt, denn die Paviane sind gescheit und von scharfen Sinnen, lassen sich niemand nahekommen. Der Buschmann rechnete nur durch Überrumpelung auf Erfolg.

Am folgenden Tag gegen 8 Uhr früh gewahrte ein russischer Matrose, der vorausgegangen war, einen solchen Räuber, und begab sich vorsichtig zurück zu den andern.

Der Buschmann ließ haltmachen, und die Europäer lauschten seiner Anweisung. Er bat sie, an dieser Stelle zu bleiben, nahm nur Sir John und den Foreloper mit, und wandte sich, stets von Bäumen oder Gebüsch verdeckt, in die von dem Matrosen angegebene Richtung.

Nicht lange, so gewahrte man den gemeldeten Affen und zugleich ein Dutzend anderer, die zwischen den Zweigen sprangen. Der Buschmann duckte sich mit seinen Begleitern hinter einem Stamm und beobachtete aufmerksam.

Es war, wie Mokum gesagt hatte, ein Trupp Chacmas, den Leib mit grünlichen Haaren, Ohren und Gesicht schwarz, mit langem Schwanz, der stets in Bewegung den Boden kehrte; starke Tiere mit kräftigen Muskeln, wohlversehenen Kinnladen, scharfen Krallen, selbst dem Wild furchtbar. Diese Chacmas sind arge Plünderer der Getreide- und Maisfelder, ein wahrer Schrecken der Buren, deren Wohnungen sie oft verwüsten. Diese hier waren in vollem Spiel, kläffend und bellend, wie große Hunde.

Aber befand sich der Räuber der Register darunter? Darüber galt es Gewißheit zu erlangen. Kein Zweifel mehr, als der Foreloper auf einen von ihnen wies, der mit Fetzen von Nikolaus Palanders Kleidern behängt war.

Den mußte man um jeden Preis haben und dafür mit größter Umsicht verfahren. Eine falsche Bewegung, und die ganze Truppe zerstob durch den Wald, ohne daß man sie einholen konnte.

»Bleiben Sie hier«, sagte Mokum zum Foreloper. »Se. Gnaden und ich, wir wollen zu unsern Kameraden und mit ihnen Maßnahmen ergreifen, um sie abzuschneiden. Aber vor allen Dingen, verlieren sie sie nicht aus den Augen!«

Der Foreloper blieb an dem angewiesenen Posten, und der Buschmann mit Sir John kehrte zum Oberst zurück.

Die Affen umzingeln war in der Tat das einzige Mittel, um des Täters habhaft zu werden. Die Europäer teilten sich in zwei Trupps. Die einen suchten den Foreloper auf und stellten sich in seiner Nähe in einem Halbkreis auf; die andern wandten sich links, um sie zu umgehen und sich auf die Bande der Affen zu werfen.

Man ging, wie der Buschmann geraten hatte, nur mit äußerster Vorsicht voran. Alle Gewehre geladen, war ausgemacht, daß alle auf den mit den Kleiderfetzen behängten Affen zielten.

Nikolaus Palander, der seinen Eifer kaum mäßigen konnte, hielt sich an Mokums Seite, der ihn überwachte, daß er nichts Verkehrtes tat. Es galt ihm auch wirklich um Leben oder Sterben.

Nachdem man eine halbe Stunde im Halbkreis gegangen war und häufig haltgemacht hatte, hielt der Buschmann es für die richtige Zeit, sich zusammenzuziehen. Seine Genossen, je 20 Schritte voneinander, gingen still vor; kein Wort, kein Knistern der Zweige vernahm man.

Plötzlich machte der Jäger halt; seine Kameraden ebenfalls, den Finger auf dem gespannten Hahn.

Die Chacmas waren in Sicht. Sie hatten etwas gemerkt und waren auf der Hut. Ein ausnehmend großes Tier – eben der Räuber – ließ unzweideutige Zeichen von Unruhe erkennen. Nikolaus Palander erkannte den Wegelagerer wieder, nur sah man nichts von den Registern, die er nicht bei sich zu haben schien. Er schien voll Angst seinen Kameraden Zeichen zu geben.

Die Jäger rückten immer näher, jeder erkannte den Räuber und konnte schon mit Sicherheit zielen. Da ging Nikolaus Palander unversehens das Gewehr los.

»Verdammt!« rief Sir John und schoß ebenfalls ab. Im gleichen Augenblick fielen noch zehn andere Schüsse. Drei Affen fielen tot auf den Boden herab, die andern setzten wie geflügelte Scharen mit einem ungeheuren Sprung über den Kopf des Buschmanns und seiner Kameraden.

Nur ein einziger Chacma blieb an seinem Platz: es war der Räuber. Statt zu fliehen, schwang er sich auf den Stamm einer Sykomore, kletterte behende hinauf und verschwand im Gezweig.

»Dort hat er die Register versteckt!« rief der Buschmann, und er irrte nicht.

Indessen war zu befürchten, das Tier könne von einem Baum zu einem anderen flüchtend entkommen. Aber Mokum zielte mit Kaltblütigkeit und gab Feuer. Der Affe, am Bein getroffen, purzelte von Zweig zu Zweig herab. In einer Hand hielt er die Register, die er aus dem Gezweig hervorgeholt hatte. Bei diesem Anblick sprang Nikolaus Palander wie eine Gemse, stürzte über den Affen her, und nun begann ein Ringen.

Welch ein Kampf! Zorniges Heulen Palanders klang mit dem Bellen des Affen zusammen! Man konnte sie nicht mehr voneinander unterscheiden, nicht auf das Tier zielen, ohne den Astronomen zu treffen.

»Schießt nur auf die beiden!« schrie Mathieu Strux, und wahrhaftig, der Russe wäre imstande gewesen, es zu tun, wäre sein Gewehr geladen gewesen.

Nikolaus Palander, bald oben, bald unten, suchte seinen Gegner zu erwürgen, der ihm mit seinen Krallen die Schultern blutig kratzte.

Endlich ersah sich der Buschmann einen Moment und schlug mit einem Beil dem Tier auf den Kopf, daß es augenblicklich erlag.

Nikolaus Palander wurde wie ohnmächtig von seinen Genossen aufgehoben. Er drückte die wiedereroberten Register mit der Hand gegen seine Brust. Der Leichnam des Affen wurde ins Lager getragen, und zum Abendessen verspeisten die Gäste den Räuber mit ebensoviel Appetit wie Rachbegier, denn es war ein treffliches Fleisch.