Ein Kraal

Am folgenden Tag, dem 25. April, wurden die geodätischen Arbeiten ohne Unterbrechung fortgesetzt. Der Winkel, den die Station des Baobab mit den beiden Endpunkten der durch die Fahnenstangen angezeigten Basis machte, wurde genau gemessen. Durch diese neue Aufnahme gelangte man zur Kontrolle des ersten Dreiecks.

Hierauf wurden zwei andere Stationen, rechts und links von dem Meridian, gewählt 1), die eine durch einen augenfälligen Hügel 6 Meilen weiter in der Ebene gebildet, die andere in einer Entfernung von etwa 7 Meilen vermittelst einer Signalstange abgesteckt.


Die Dreieck-Messung wurde so ohne Hindernis 1 Monat hindurch fortgesetzt. Am 15. Mai waren die Beobachter 1 Grad nach Norden vorwärts gekommen, nachdem sie sieben Dreiecke geodätisch konstruiert hatten.

Oberst Everest und Mathieu Strux waren während dieser ersten Reihe von Operationen wenig miteinander in Berührung gekommen. Wir haben gesehen, daß bei der Verteilung der Arbeit und selbst hinsichtlich der Kontrolle der Messungen die beiden Gelehrten verschiedener Ansicht waren. Sie arbeiteten täglich an mehreren Meilen voneinander entfernten Stationen, und diese Entfernung enthielt eine Sicherung gegen jeden Streit der Eifersucht. Wenn der Abend kam, ging jeder ins Lager zurück und begab sich in seine besondere Wohnung. Zwar ergaben sich wiederholt Streitfragen über die Wahl der Stationen, die gemeinsam getroffen werden mußte; doch führten sie kein ernstliches Zerwürfnis herbei. Michael Zorn und sein Freund Emery durften demnach hoffen, daß, dank der Absonderung der beiden Rivalen, die geodätischen Operationen ohne bedauernswertes Aufsehen fortgesetzt werden würden.

Am 15. Mai, nachdem, wie gesagt, die Beobachter vom Südpunkt aus 1 Grad vorwärts gekommen waren, befanden sie sich auf der Breite von Lattaku. Das Dorf lag 35 Meilen östlich von ihrer Station.

Ein großer Kraal war neuerdings an diesem Ort entstanden. Es war ein sehr gelegener Haltepunkt, und auf Vorschlag von Sir John Murray beschloß man, daß die Expedition dort einige Tage ausruhen solle. Michael Zorn und William Emery sollten die Zeit nutzen, um Sonnenhöhen aufzunehmen. Während dieses Halts sollte sich Nikolaus Palander damit beschäftigen, Reduktionen in den Messungen für die Niveaudifferenzen der Zielpunkte zu machen, so daß man all diese Messungen auf das Niveau des Meeres zurückführen könne. Sir John Murray wollte sich von seinen wissenschaftlichen Anstrengungen erholen und durch Büchsenschüsse die Fauna dieser Gegend studieren.

Die Eingeborenen Südafrikas nennen »Kraal« eine Art wanderndes Dorf, das von einem Weideplatz zum andern weiterverlegt wird. Es ist ein umschlossener Raum, der aus ungefähr 30 Wohnungen besteht und von mehreren hundert Einwohnern bevölkert wird.

Der Kraal, zu dem die englisch-russische Kommission gekommen war, bildete eine ansehnliche Menge von Hütten, die an den Ufern eines Zuflusses des Kuruman kreisförmig gruppiert waren. Diese Hütten waren aus Matten auf Holzpfählen errichtet, dichten, undurchdringlichen Binsenmatten. Sie sahen aus wie niedrige Bienenkörbe, deren Eingang durch ein Fell so eng geschlossen war, daß, wer hinein oder heraus wollte, auf den Knien zu kriechen genötigt war. Durch diese einzige Öffnung drangen dichte Wolken beißenden Rauchs vom Herd heraus, der die Wohnbarkeit dieser Hütten für jeden andern, der nicht Buschmann war, sehr zweifelhaft machen mußte.

Bei der Ankunft der Karawane geriet die ganze Bevölkerung in Bewegung. Die zur Bewachung an jeder Hütte angebundenen Hunde bellten wütend. Die kriegerischen Männer des Dorfs, mit Wurfspießen, Messern und Keulen bewaffnet und durch ihr Lederschild geschützt, stellten sich vorn auf. Ihre Zahl, die sich auf 200 schätzen ließ, zeigte die Bedeutung des Kraals, der nicht weniger als 60 bis 80 Wohnstätten zählen mußte. Diese Hütten waren zum Schutz gegen reißende Tiere von einer Palisadenhecke umgeben, die mit hohen stachligen Aloen besetzt war.

Indes verschwand die kriegerische Stimmung schnell, sobald der Jäger Mokum dem Häuptling des Kraals einige Worte gesagt hatte. Die Karawane erhielt die Erlaubnis, neben den Palisaden, dicht am Ufer des Bachs ihr Lager aufzuschlagen. Die Buschmänner dachten gar nicht daran, derselben ihren Anteil an den Weideplätzen streitig zu machen, die sich zu beiden Seiten mehrere Meilen weit erstreckten. Die Pferde, Ochsen und anderen Vierfüßler der Expedition konnten sich dort reichlich ernähren, ohne dem Dorf den geringsten Nachteil zuzufügen. Sofort wurde das Lager unter Anleitung und Befehl des Buschmanns nach hergebrachter Weise errichtet. Die Wagen gruppierten sich im Kreis, und jeder ging seinen eigenen Beschäftigungen nach.

Sir John Murray ließ darauf seine Gefährten bei ihren Berechnungen und wissenschaftlichen Beobachtungen und zog, ohne einen Augenblick zu verlieren, in Begleitung Mokums aus. Der englische Jäger ritt sein gewöhnliches Pferd und Mokum sein zahmes Zebra. Drei Hunde umsprangen sie. Sir John Murray und Mo-kum trugen jeder einen Jagdkarabiner mit Explosionskugeln, was ihre Absicht anzeigte, das Hochwild der Gegend anzugreifen.

Die beiden Jäger nahmen ihre Richtung nordöstlich, einer waldigen, einige Meilen vom Kraal entfernten Gegend zu. Sie ritten plaudernd nebeneinander her.

»Ich hoffe, Meister Mokum«, sagte Sir John Murray, »daß Sie hier Ihr Versprechen, das Sie mir an den Morgheda-Fällen gaben, halten und mich in die wildreichste Gegend der Welt führen werden. Doch wissen Sie wohl, daß ich nicht nach Südafrika gekommen bin, um Hasen zu schießen oder Füchse zu hetzen. Das haben wir in unsern schottischen Hochlanden. Ehe 1 Stunde vergeht, will ich erlegt . . . «

»Ehe 1 Stunde vergangen!« antwortete der Buschmann. »Ew. Gnaden erlauben mir, Ihnen zu sagen, daß dies ein wenig schnell gehen heißt, und daß es vor allen Dingen der Geduld bedarf. Ich selbst bin nur auf der Jagd geduldig, und unter diesen Verhältnissen mache ich die Ungeduld meines ganzen übrigen Lebens wieder gut. Wissen Sie denn nicht, Sir John, daß die Jagd auf Hochwild eine förmliche Wissenschaft ist, daß man sorgfältig das Land und die Gewohnheiten der Tiere kennen, ihre Wege ausstudieren, sie stundenlang umgehen muß, um sich ihnen unter dem Wind zu nähern? Wissen Sie, daß man sich weder einen Schrei zur unrechten Zeit, noch einen geräuschvollen falschen Schritt, noch einen unvorsichtigen Blick erlauben darf? Ich bin ganze Tage einem Büffel oder Gemsbock auf der Lauer gewesen, und wenn ich nach 36 Stunden der List und Geduld das Tier erlegt hatte, hielt ich meine Zeit nicht für verloren.«

»Sehr gut, mein Freund«, erwiderte Sir John Murray, »ich werde soviel Geduld, wie Sie verlangen, zeigen, doch vergessen Sie nicht, daß wir uns hier nur 3 oder 4 Tage aufhalten, und daß wir weder 1 Stunde noch 1 Minute verlieren dürfen.«

»Das ist zu berücksichtigen«, antwortete der Buschmann in so ruhigem Ton, daß William Emery seinen Reisegefährten vom Oranjefluß nicht wiedererkannt hätte. »Wir werden töten, was uns in den Weg kommt, ohne lange zu wählen. Antilope oder Hirsch, Gnu oder Gazelle, alles wird für so eilige Jäger gut sein!«

»Antilope oder Gazelle!« rief Sir John Murray aus, »ich verlange nicht einmal so viel für meinen ersten Schuß auf afrikanischem Boden. Aber was hoffen Sie denn, mir bieten zu können, Buschmann?«

Der Jäger sah seinen Gefährten mit befremdlicher Miene an und antwortete dann ironisch:

»In dem Augenblick, wo Ew. Herrlichkeit sich zufrieden erklärt, habe ich nichts weiter zu sagen. Ich glaubte, daß Sie mich wenigstens zu einem Paar Rhinozerosse oder Elefanten verpflichtet hielten!«

»Jäger«, antwortete Sir John Murray, »ich werde hingehen, wohin Sie mich führen. Ich werde töten, was Sie mir sagen. Also, vorwärts! Und verlieren wir keine Zeit mehr mit unnützen Worten.«

Die Pferde wurden in Galopp gesetzt, und die beiden Reiter näherten sich schnell dem Wald.

Die Ebene, durch die sie ritten, erhob sich in sanftem Aufsteigen nordöstlich. Sie war hier und da mit unzähligen reichblühenden Gebüschen bedeckt, aus denen ein klebriges, durchsichtiges und wohlriechendes Harz floß, woraus die Kolonisten einen Wunderbalsam bereiten. In malerischen Gruppen standen »nwanas«, eine Art Sykomoren-Feigenbäume, deren Stamm, bis zur Höhe von 30 bis 40 Fuß nackt, einen großen Blätterschirm trägt. In diesem dichten Laubwerk kreischte eine unzählige Menge Papageien, die sehr emsig die säuerlichen Früchte des Baums verspeisten. Weiterhin standen Mimosen mit gelben Trauben, »Silberbäume«, die ihr dichtes, seidenartiges Laub schüttelten, Aloen mit langen, grellroten Stacheln, die man für dem Grund des Meeres entrissene baumartige Knollen hätte halten können. Der Erdboden, mit reizenden, bläulich schimmernden Amaryllis übersät, war dem schnellen Lauf der Pferde günstig. In weniger als 1 Stunde nachdem sie den Kraal verlassen, kamen Sir John Murray und Mokum am Saum des Waldes an. Es war ein Hochwald von Akazien, der einen Raum von mehreren Quadratmeilen einnahm. Diese unzähligen regellos gepflanzten Bäume schlangen ihr Gezweig ineinander und ließen die Sonnenstrahlen nicht auf den von Dornen und langem Gras bedeckten Boden dringen. Das Zebra Mokums und das Pferd Sir John Murrays zögerten nicht, sich unter diese dichte Wölbung zu wagen, und brachen sich durch die unregelmäßig stehenden Baumstämme einen Weg. Hier und dort zeigten sich mitten im Wald einige große Lichtungen, und die Jäger hielten hier an, um das angrenzende dichte Gebüsch zu beobachten. Man muß gestehen, daß dieser erste Tag Seiner Herrlichkeit nicht günstig war. Vergeblich durchstreiften er und sein Gefährte einen großen Teil des Waldes. Kein Probestück der afrikanischen Fauna ließ sich aufstören, um sie zu empfangen, und Sir John dachte mehr als einmal an seine schottischen Ebenen, auf denen ein Flintenschuß nicht auf sich warten ließ. Vielleicht hatte die Nachbarschaft des Kraals dazu beigetragen, das Wild zu verscheuchen. Mokum indes zeigte weder Überraschung noch Ärger. Für ihn war dies keine Jagd, sondern ein Ritt durch den Wald.

Gegen 7 Uhr abends mußte man an die Rückkehr ins Lager denken. Sir John Murray war sehr ärgerlich, ohne es gestehen zu wollen: Ein ausgedienter Jäger unverrichteterdinge zurückkehren! Niemals! Er nahm sich vor, auf das erste beste Tier zu schießen, Vogel oder Vierfüßler, Rot- oder Hochwild, das in Schußweite kommen würde.

Das Schicksal schien ihn zu begünstigen. Die beiden Jäger waren nur noch 3 Meilen vom Kraal entfernt, als ein Hase afrikanischer Rasse 150 Schritt vor Sir John in einem Busch aufsprang. Sir John sandte ungesäumt dem unschädlichen Tier eine Kugel nach.

Der Buschmann schrie vor Unwillen laut auf. Eine Kugel für einen einfachen Hasen, den man mit Schrot hätte schießen können. Doch der englische Jäger hielt auf sein Nagetier und ritt im Galopp nach der Stelle, wo das Tier hätte stürzen müssen.

Vergeblicher Ritt! Von dem Hasen keine Spur, ein wenig Blut, doch kein Haar auf dem Boden. Sir John durchsuchte die Büsche und das dichte Gras. Die Hunde durchschnupperten vergeblich das Gesträuch.

»Ich habe ihn doch getroffen!« rief Sir John Murray aus.

»Nur zu sehr getroffen!« erwiderte ruhig der Buschmann. »Wenn man einen Hasen mit einer Explosionskugel schießt, wäre es verwunderlich, wenn man noch einen kleinen Teil von ihm fände.«

Und in der Tat war der Hase in winzigste Stückchen zerstoben! Se. Herrlichkeit stieg höchst ärgerlich wieder aufs Pferd und erreichte, ohne ein Wort zu reden, das Lager.

Am folgenden Morgen erwartete der Jäger, daß Sir John Murray ihm neue Jagdvorschläge machen würde. Doch vermied der in seiner Eigenliebe stark angegriffene Engländer eine Begegnung mit Mokum. Er schien jeden Jagdgedanken aufgegeben zu haben und beschäftigte sich damit, Instrumente nachzusehen und Beobachtungen zu machen. Dann besuchte er zur Erholung den Kraal der Buschmänner und sah zu, wie die Männer sich im Bogenschießen übten oder auf der »Gorah« spielten, ein Instrument, das aus einem mit einer Sehne bespannten Bogen besteht, dem der Künstler Töne entlockt, indem er durch eine Straußfeder haucht. Währenddessen beschäftigten sich die Frauen mit den Hausarbeiten und rauchten dabei den »Mato-kuane«, das heißt die ungesunde Pflanze des Hanfs, ein Vergnügen, das bei der größten Zahl der Eingeborenen verbreitet ist. Infolge der Beobachtung einzelner Reisender vermehrt das Einatmen des Hanfs die physische Kraft auf Kosten der moralischen Energie. Wirklich schienen mehrere Buschmänner wie blödsinnig durch die Trunkenheit des Matokuane.

Am folgenden Morgen, dem 17. Mai, bei Tagesanbruch wurde Sir John Murray durch die einfache, in sein Ohr geflüsterte Phrase geweckt: »Ich glaube, Ew. Herrlichkeit, daß wir heute glücklicher sein werden. Doch lassen Sie uns nicht mehr Hasen mit Berghaubitzen schießen!«

Sir John Murray ließ sich durch diese ironische Mahnung nicht irremachen und erklärte sich zum Aufbruch bereit. Die beiden Jäger entfernten sich einige Meilen links vom Lager, ehe noch ihre Gefährten munter waren.

Sir John trug diesmal eine einfache Flinte, eine wunderbar schöne Waffe von F. Goldwin und für eine einfache Hirsch- oder Antilopenjagd besser geeignet als der schreckliche Karabiner. Man konnte allerdings in der Ebene auf Dickhäuter und Raubtiere treffen, doch hatte Sir John noch die »Explosion« des Hasen auf dem Herzen und er hätte es vorgezogen, lieber auf einen Löwen mit Schrot zu schießen, als nochmals einen solchen in den Annalen des Sports nie dagewesenen Schuß zu tun.

Wie Mokum vorausgesagt hatte, war das Glück an diesem Tag den beiden Jägern günstig. Sie erlegten ein paar Harrisböcke, eine Art schwarzer Antilopen, die selten sind und schwer zu töten. Es waren wunderschöne, 4 Fuß hohe Tiere, mit auseinanderstehenden, säbelförmigen Hörnern, dünnem, an den Seiten zusammengedrücktem Maul, schwarzem Huf, dichtem, weichem Haar, und kleinen, spitzen Ohren. Ihr schneeweißer Bauch und Kopf stachen von der schwarzen Haarfarbe des Rückens mit wallender Mähne auffallend ab. Ein Jäger konnte stolz auf einen solchen Schuß sein, denn der Harrisbock ist auch eine der bewundernswertesten Spezies der südlichen Tierwelt.

Was aber dem englischen Jäger das Herz pochen machte, waren gewisse Spuren, die ihm der Jäger am Saum eines dichten Gehölzes, nicht weit von einem großen, tiefen Sumpf zeigte, der von riesigen Euphor-bien umgeben und dessen Oberfläche ganz mit himmelblauen Wasserlilien übersät war.

»Sir«, sagte Mokum, »wenn Sie morgen in den ersten Tagesstunden hier auf diese Stelle auf den Anstand kommen wollen, würde ich Ihnen raten, diesmal nicht den Karabiner zu vergessen.«

»Was veranlaßt Sie zu dieser Äußerung, Mokum«, fragte Sir John Murray.

»Diese frische Fährte, die Sie auf der feuchten Erde sehen.«

»Wie? Diese breiten Fußspuren rühren von Tieren her? Dann müssen ja die Füße, die sie machten, mehr als einen halben Klafter im Umfang haben!«

»Das beweist ganz einfach«, antwortete der Buschmann, »daß das Tier, das dergleichen Spuren hinterläßt, mindestens 9 Fuß bis zur Höhe der Schulter mißt.«

»Ein Elefant!« rief Sir John aus.

»Ja, Ew. Herrlichkeit, und wenn ich mich nicht täusche, ein völlig ausgewachsener männlicher junger Elefant.«

»Auf morgen also, Buschmann.«

»Auf morgen, Ew. Herrlichkeit.«

Die beiden Jäger kehrten ins Lager zurück, die beiden Harrisböcke auf das Pferd Sir John Murrays geladen.

Diese schönen, so selten gefangenen Tiere riefen die Bewunderung der ganzen Karawane hervor. Alle beglückwünschten Sir John, mit Ausnahme vielleicht von Mathieu Strux, der, was Tiere betraf, kaum was anderes kannte als den großen Bären, den Drachen, Zen-taurus, Pegasus und andere Gestirne der himmlischen Tierwelt. Am nächsten Morgen um 4 Uhr erwarteten die beiden Jagdgefährten unbeweglich auf ihren Pferden, die Hunde zur Seite, inmitten eines dichten Gehölzes die Ankunft der Truppe Dickhäuter.

An neuen Spuren hatten sie erkannt, daß die Elefanten in ganzen Rudeln kamen, um aus dem Sumpf zu trinken. Beide waren mit gezogenen Karabinern und Explosionskugeln bewaffnet. Sie standen seit ungefähr einer halben Stunde unbeweglich und schweigsam auf dem Anstand, als sie 50 Schritt vom Sumpf eine dunkle Masse sich bewegen sahen.
Sir John hatte seine Waffe ergriffen, aber der Buschmann hielt seine Hand zurück und bedeutete mit einem Blick, seine Geduld zu mäßigen.

Bald erschienen große Schatten, und man hörte, wie das Dickicht unter einem unwiderstehlichen Druck sich öffnete; das Holz krachte, das auf dem Boden zertretene Gezweig raschelte, und lautes Schnaufen drang durch die Zweige. Es war die Elefantentruppe. Ein halbes Dutzend dieser riesigen Tiere, fast ebenso groß wie ihre indischen Gattungsverwandten, näherte sich langsam dem Sumpf.

Das anbrechende Tageslicht versetzte Sir John in die Lage, diese gewaltigen Tiere zu bewundern. Einer von ihnen, ein Männchen von ungeheurer Größe, zog besonders seine Aufmerksamkeit auf sich. Seine breite, gewölbte Stirn dehnte sich zwischen großen Ohren aus, die bis zur Brust hinabhingen.

Seine kolossalen Dimensionen erschienen in der Dämmerung noch größer.

Er streckte seinen Rüssel aus dem Dickicht empor und schlug mit seinen krummen Hauern gegen die Baumstämme, die unter seinen Schlägen ächzten. Vielleicht ahnte das Tier eine nahe Gefahr.

Inzwischen sagte der Jäger Sir John Murray leise ins Ohr: »Gefällt Ihnen dieser?«

Sir John bejahte es mit einem Wink.

»Gut«, fügte Mokum hinzu, »wir werden ihn von den übrigen trennen.«

In diesem Augenblick kamen die Elefanten am Rand des Sumpfs an. Ihre schwammigen Füße traten tief in den schlammigen Grund. Sie zogen das Wasser mit ihrem Rüssel ein, und dies Wasser ließ, indem es sich in ihre breite Kehle ergoß, ein lautes Gluckern hören. Das große Männchen, das ernstlich unruhig war, schaute um sich und atmete schnaufend die Luft ein, um jede verdächtige Ausströmung zu wittern. Plötzlich ließ der Buschmann einen auffallenden Schrei hören. Seine drei Hunde sprangen sofort mit heftigem Bellen aus dem Gebüsch heraus und stürzten sich auf die Truppe Elefanten; zugleich sprang Mokum, der seinem Begleiter nur das einzige: »Bleiben Sie« zurief, mit seinem Zebra über das Gebüsch hinaus, um dem großen Elefanten den Rückzug abzuschneiden.

Dies prächtige Tier versuchte übrigens nicht einmal, ihm durch die Flucht zu entkommen. Sir John, mit dem Finger am Abzug seines Gewehrs, beobachtete ihn.

Der Elefant schlug mit dem Rüssel gegen die Baumstämme und bewegte wütend den Schwanz, ließ nicht mehr Unruhe, sondern Zorn erkennen. Bis dahin hatte er nur den Feind gewittert, in diesem Augenblick aber erblickte er ihn und stürzte sich auf ihn los.

Sir John Murray stand jetzt 60 Schritt von dem Tier. Er wartete, bis er auf 40 Schritt näher gekommen, und dann ihm in die Seite zielend, gab er Feuer. Doch änderte eine Bewegung des Pferdes die Richtung des Schusses, und die Kugel drang nur in das weiche Fleisch ein, ohne auf ein Hindernis zu stoßen, das genügt hätte, die Kugel platzen zu lassen.

Der Elefant rannte wütend schneller, doch nicht im Galopp, sondern vielmehr in außerordentlich schnellem Gang. Doch hätte dieser schon ein Pferd überholen können.

Das Pferd Sir Johns bäumte sich und warf sich aus dem Gebüsch, ohne daß sein Herr es zurückhalten konnte. Der Elefant verfolgte es, spitzte die Ohren und stieß aus seinem Rüssel einen trompetenartigen Ton aus. Der Jäger, von seinem Pferd fortgerissen, klammerte sich mit kräftigen Beinen fest, während er eine Patrone in seinen Flintenlauf gleiten zu lassen suchte. Indessen gewann der Elefant einen Vorsprung, und bald waren beide auf der Ebene außerhalb des Waldes. Sir John spornte sein wild gewordenes Pferd blutig. Zwei der nebenher bellenden Hunde flohen atemlos. Der Elefant war keine zwei Längen mehr hinter ihm; Sir John fühlte schon seinen schnaufenden Atem und hörte das Pfeifen des Rüssels, der in die Lüfte fuhr. In jedem Augenblick erwartete er, von diesem lebendigen Lasso aus dem Sattel gehoben zu werden.

Plötzlich brach das Pferd mit den Hinterfüßen zusammen. Der Rüssel hatte es ins Kreuz getroffen. Das Tier wieherte vor Schmerz und machte einen Seitensprung. Dieser Satz rettete Sir John vor einem sicheren Tod. Der von seiner eigenen Schnelligkeit fortgerissene Elefant flog darüber hinaus und sein Rüssel ergriff beim Hinstreifen am Boden einen der Hunde, den er in der Luft mit unbeschreiblicher Heftigkeit schüttelte.

Es blieb Sir John keine andere Rettung, als in den Wald zurückzureiten. Der Instinkt seines Pferdes trug ihn dorthin, und bald setzte er mit staunenswertem Schwung über den Saum des Gehölzes.

Der ihm überlegene Elefant hatte sich zu seiner Verfolgung in Bewegung gesetzt, schleuderte den unglücklichen Hund gegen den Stamm einer Sykomore, so daß er ihm den Kopf zerschmetterte; dann stürzte er in den Wald hinein.

Das Pferd setzte in ein dichtes, mit dornigen Lianen durchschlungenes Gebüsch und blieb stehen. Sir John, obgleich zerfetzt und blutend, verlor nicht einen Moment seine Kaltblütigkeit; er drehte sich um, legte vorsichtig seinen Karabiner an und zielte durch das Lianennetz auf den Elefanten. Die Kugel traf auf einen Knochen, so daß sie explodierte. Das Tier schwankte, und fast im selben Augenblick traf ihn ein vom Waldrand her abgefeuerter zweiter Schuß in die linke Seite. Er fiel auf die Knie neben einem kleinen, halb im Gras versteckten Teich. Dort fing er an, seine Wunden mit dem Wasser, das er in den Rüssel einsog, mit kläglichem Geschrei zu waschen.

In diesem Moment erschien der Buschmann.

»Er ist unser! Er ist unser!« rief er aus.

Und wirklich war das ungeheure Tier tödlich getroffen. Es jammerte kläglich, sein Atem ging pfeifend; sein Schwanz bewegte sich nur noch schwach, und sein Rüssel, die Blutlache, die sich um ihn gebildet hatte, aufsaugend, goß einen roten Regen über das benachbarte Dickicht. Dann schwanden ihm die Kräfte und es stürzte nieder, um sich nicht wieder zu erheben.

In diesem Augenblick trat Sir John Murray aus dem Dornengestrüpp hervor. Er war halbnackt, denn von seinen Jagdkleidern waren nur noch Fetzen übrig.

»Ein prachtvolles Tier, Buschmann«, rief er aus, indem er den Kadaver des Elefanten untersuchte, »ein prachtvolles Tier, aber ein wenig zu schwer für die Jagdtasche eines Jägers!«

»Ja, Ew. Herrlichkeit«, erwiderte Mokum, »wir wollen ihn auf dem Platz zerlegen und nur die ausgesuchtesten Stücke mit fortnehmen. Sehen Sie nur, mit welch prächtigen Hauern ihn die Natur versehen hat! Sie wiegen jeder wenigstens 25 Pfund, und das Pfund Elfenbein zu 5 Shilling gerechnet, gibt schon eine hübsche Summe.«

Mit diesen Worten schritt der Jäger sofort zum Zerlegen des Tieres. Er hieb mit seinem Beil die Hauer ab und begnügte sich damit, die Füße und den Rüssel loszutrennen, welches die besten Stücke sind, die er den Mitgliedern der Kommission vorsetzen wollte.


Diese Operation erforderte einige Zeit, und er kam mit seinem Begleiter erst zu Mittag ins Lager zurück.

Dort ließ der Buschmann die Füße des riesigen Tieres nach afrikanischer Weise kochen, indem er sie in ein vermittelst weißglühender Kohlen wie ein Backofen geheiztes Loch eingrub.

Es versteht sich, daß das Gericht sogar von dem gleichgültigen Palander nach seinem richtigen Wert geschätzt wurde, und daß Sir John Murray von der ganzen gelehrten Truppe dafür beglückwünscht wurde.




1) Siehe die Punkte F und E auf der Figur Seite 92.