ARNSTADT. Schwarzburg-Sondersh. Amtsstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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ARNSTADT. Schwarzburg-Sondersh. Amtsstadt.

Liebfrauen-K. Baunachrichten fehlen. Nächst dem Dom von Naumburg, jedoch in bedeutendem Abstand, der bedeutendste Bau Thüringens aus dem 13. Jh., sehr lehrreich für das Eindringen des neuen, westlichen Formengeistes. Er zerfällt in zwei sehr bestimmt gesonderte Teile: Langhaus sprom., Qsch. und Chor entwickelt got. 1. Langhaus. Schwankende Bauführung und wiederholte Restaurationen (im 19. Jahrhundert 1840 u. 1888) machen den Bauhergang äußerst unklar. Auf eine flachgedeckte rom. Basilika folgte A. 13. Jh. [pg 15] ein Umbau, der bereits auf Gwbb. berechnet war; 2 Arkadenpfeiler der NSeite aus ihm erhalten. Bald Planwechsel unter Einfluß des Halberstädter Doms (so Giesau). Er äußert sich in veränderter Pfeilerbildung, Verlängerung um 2 Achsen, Einführung von Emporen über den Seitenschiffen, welche jedoch nicht als selbständige Geschosse ausgebildet sind; sondern nur den Dachraum hinter sich haben. Die Formen sehr schlicht. Die Gwbb. und viele Einzelheiten aus der Rest. 1888. — Die WFront seit 1911 in Erneuerung begriffen. Sie bildet bis zum Abschlußgesims des Hochschiffes eine ungegliederte Masse; die einzige Öffnung das sehr ansehnliche Portal, das seine Gestalt erst zum Schluß dieser Bauzeit erhielt (in got. Zeit verändert, jetzt rom. rest.). Die Wendeltreppen der Türme enthalten alte Türen, auf eine Sängerbühne über dem Eingang hindeutend. Die Mitte dieser Treppen fällt indes mit der Mitte der Türme nicht zusammen; also Verbreiterung der Fassade. Das letzte, was die rom. Bauperiode ausführte, war der südl. der beiden Türme. Über einem niedrigen 4 seitigen Geschoß zwei 8 seitige, auslaufend in 8 kleine Giebel, aus deren Mitte eine 8 seitige Steinpyramide emporsteigt. In der Kraft und Leichtigkeit der Verhältnisse und Formen ein Muster seiner Gattung (nahe verwandt den Türmen von S. Blasien in Mühlhausen). Im Detail stehen spätromanische und tadellos frühgotische Formen unmittelbar nebeneinander, es arbeiten also gleichzeitig Steinmetzen von verschiedener Schulung. Am NWTurm im ganzen dieselbe Einteilung, doch größere Höhe der Geschosse; die obersten schon in reifer got. Ausbildung. Endlich stammt aus der rom. Bauzeit noch der Mittelturm; nicht über dem Qsch. (welches damals noch das alte), sondern westl. desselben über dem letzten Joch des Langhauses; daher auch der verschoben quadratische Grundriß (das zerstört vorgefundene oberste Geschoß freie Komposition von 1890). — 2. Querschiff und Chor sind etwa E. 13. Jh. (jedenfalls vor 1309) geplant und begonnen. Sie erstreben mächtigere Raumentwicklung, ohne jedoch zu den älteren Bauteilen (wie so oft!) in auffallende Disharmonie zu treten. Das Qsch. dürfte sich den Grundmauern des einstigen romanischen anschließen, nur sind die Vierungspfll. etwas weiter auseinander gerückt. Der Chor beansprucht die volle, durch die Ausladung des Qsch. ihm gestattete Breite. Sein erstes Joch setzt nach dem Prinzip der Halle, d. h. in allen 3 Schiffen in gleicher Höhe, das System des Qsch. fort. Hierauf schließen die Abseiten mit Kapellen in 5 Seiten des 8Ecks; vor das Hauptschiff legt sich ein quadr. Vorchor und dann ebenfalls 5/8Schluß. Das Ergebnis ist bei [pg 16] beschränkter Grundfläche eine sehr bedeutende Raumwirkung (die Ähnlichkeit mit dem Dom von Regensburg nur im Gr.). Die Form der Rippen spricht für Vollendung im vorgerückten 14. Jh. — Nach der 1309 erfolgten Übergabe der K. an einen Nonnenkonvent wurde in den südl. Kreuzflügel und die südl. Chorkapelle ein Jungfrauenchor eingebaut (durch die jüngste Rest. entfernt; einzelne Bauglieder in der neuen Sakristei wiederverwendet). Die 3 Chorkapellen von gleicher Höhe, die mittlere durch Fialen und Giebel über jeder Polygonseite ausgezeichnet (rest. nach vorhandenen Ansätzen). — An der NSeite 2 prächtige Portale, ein größeres an der QschFront, ein kleineres am Ssch. mit Zügen der Maulbronner Fr.Gotik. — Doppelflügeliges Altarwerk im südl. Nebenchor, bedeutendes Stück, bez. 1489 (wohl von Jakob Naumann); im Schrein Marienkrönung, zu den Seiten Laurentius und Bonifatius geschnitzt; aus welcher Schule die Flügelgemälde, ist nicht festgestellt. — Der nördl. Nebenchor enthält die Gräber der Grafen v. Schwarzburg. Hauptstücke: große Tumba Günthers XXV. † 1368 und seiner Gemahlin Elisabeth † 1381, die Platte vom trauernden Hofgesinde getragen, an der Spitze ein bärtiger Mann in einer Kutte mit Glocke und Keule, sog. »treuer Eckardt« (vgl. in ikonographischer Hinsicht Grab Heinrichs IV. in Breslau, Kreuz-K.). — Großes Prachtepitaph Günthers XLI. und der Katharina v. Nassau, errichtet 1590. — Skulpturen. Am Portal des nördl. Seitensch. im Bogenfeld Kreuzigung, daneben Kaiser Otto I. und sein Sohn Erzbischof Wilhelm von Mainz, geringwertige Arbeit aus 1. H. 13. Jh. Neben dem Portal des nördl. Qsch. 2 Fürstenstatuen, männlich und weiblich, E. 13. Jh., von mäßigem Wert, frisch und gut die Groteskfigg. der Konsolen.

Oberkirche (Franziskaner) beg. 1246. — 1sch. Rck. 11 m br., 60 m l, Holztonne aus neuerer Zeit. Trotz der Länge sehr gute Akustik. Der Chor nicht abgesondert. Fenster nur an der NSeite und der Schlußwand. Vortreffliches Maßwerk. Eingänge: 1 im W, 2 im N., Auf der SSeite der schlicht, fast roh behandelte Kreuzgang. Der Turm in der Mitte der Nwand erst 1461 angefügt. — Epitaph des G. Fischer 150S; bmkw. durch gute Charakteristik und z. T. erhaltene Bemalung. — Flügelaltar 1594, das Gemälde niederländisch. Zahlreicher die Ausstattungsstücke aus 1. H. 17. Jh.: 3geschossiger Hochaltar mit Reliefs und Freistatuen, alles Holz; Taufstein mit 5 m hohem Baldachin; der fürstl. Kirchenstand, ein auf 6 Säulen ruhender, sehr reich behandelter Einbau; der adlige Kirchenstand; die Gemeindeempore in 3 Geschossen, Brüstungsmalerei handwerksmäßig.
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Neue Kirche. 1676-83 mit Benutzung von Mauerresten einer niedergebrannten aus 15. Jh. 1sch. Anlage bis zur hölzernen Decke mit Emporen angefüllt.

Gottesacker-K. 1738-43. Typisch für die thüringischen Leichenpredigtskirchen dieser Zeit. Ein nach der Längsachse verschobenes Achteck, allseitig Emporen in 3 Geschossen. Auf dem Friedhof bmkw. Grabsteine des 16.-18. Jh.

Neidechsburg. Ehem. Wasserschloß, die Gräben und der runde Bergfried erhalten. Von dem Renss.-Umbau 1557-60 nur wenige Reste erhalten, darunter hübsches Portal.

Fürstl. Schloß neben der Neidechsburg. Einfacher Bar.-Bau mit großem Treppenhaus, einigen guten Rok.-Zimmern; Porzellane.

Rathaus. 1583 ff. Stattlich, 3geschossig, an dem Fassadentrakt unter dem Giebel befand sich ehemals eine hohe Freitreppe mit säulengestütztem Erkervorbau; in Nischen 2 got. Statuen, Erfurter Arbeit um 1730 in der Art des Joh. Gehart.

Zierbrunnen. 1573.

Bürgerhäuser. Einige in gut behandeltem Fachwerk, zahlreiche Renss.-Portale. Am Markt Lauben auf Steinsäulen 1585. Von der ma. Stadtbefestigung das Riedtor und das Neutor.