ANNABERG. K. Sachsen Amtshauptstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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ANNABERG. K. Sachsen Amtshauptstadt.

Anna-K. 1499-1520. Hauptbaumeister Peter von Pirna (?), seit 1515 Jakob von Schweinfurt. — 3sch. Halle von 7 Joch auf 56 m L., östl. Schluß in 3 parallelen polyg. Apsiden. Die Sschiffe sind fast ebenso breit wie das Msch., doch sind die Strebepfll. durchaus nach innen gelegt und zwischen sie steinerne Emporen von ca. 2,5 m Tiefe eingespannt; die oberhalb ihrer eintretende Raumerweiterung von origineller Wirkung; die Fenster in 2 Geschosse geteilt. Noch eigentümlicher die querschiffartige Erweiterung im vorletzten Joch, wo im N und S im Erdgeschoß geschlossene Sakristeien und über ihnen gegen das Sch. geöffnete Kapp. Die Unregelmäßigkeiten durch schräge Stellung der WWand und den im SW einspringenden Turm werden im Innern durch eine das ganze erste Joch einnehmende Empore ausgeglichen. Breite: Höhe = ca. 25: 20, die Pfll. sehr schlank, mit einem Abstand von ca. 8,3 m. Die Decke mit Beseitigung aller Erinnerung an das Kreuzgwb. möglichst als Einheit behandelt; hergestellt von Barthel v. Durbach und Conrad v. Buttigen (Büdingen?). Ihre Rippen, auch in der Grundrißprojektion gekrümmt (sog. »gewundene Reihungen«, für die sächsische Architektur dieser Zeit bezeichnend), wirken wie ein Geflecht von Weidenruten; ihre Ansätze an den Pfll. mit gesuchter Willkür in ungleichen Höhen, auf ihren Knotenpunkten phantastisch geformte Schlußsteine. Noch raffiniertere Klügeleien am Gwb. der südl. Sakristei. Ausgeprägte Spitzbgg. sind überall vermieden. Die Fenster schmal, hoch, nur 2teilig und mit einfachen aber ganz schlaffen Fischblasen. Das Äußere von fast ärmlicher Schlichtheit; Strebepfll. nur am Chor; ihre Abdeckung geschweift. Die künstlerische Absicht des stilgeschichtlich wichtigen Gebäudes ist nur im Innern zu erkennen; sie geht auf Schaffung eines weiten, übersichtlichen, rhythmisch wenig bewegten Raumbildes bei Unterdrückung der »organischen« Strukturformen.

Reich und wertvoll der mit der Architektur zugleich entstandene plastische Schmuck, jedoch in freierem Verhältnis zu den Strukturformen, als in der echten Gotik. — Die »schöne Tür« am nördl. Ssch. (bez. 1512 H W; 1597 vom Franziskaner-Klst. hierher versetzt); die Archit. auf wenige Glieder beschränkt; den unteren Teil flankieren, auf überaus künstlich zusammengesetzte Postamente gestellt, die aus freien Ranken [pg 13] sich entwickelnden Reliefbilder des h. Joachim und der h. Anna, darüber zwei Engelsfigg. mit dem Wappen Herzog Georgs und seiner Gemahlin; im Hauptfeld über dem Türsturz die Dreieinigkeit, der Gekreuzigte vor dem Schoße des Vaters, umgeben von 9 Engeln (Anspielung auf die 9 Chöre), tiefer der h. Franz und die h. Clara; in der Krönung Moses, Johannes, Adam und Eva, über der Giebelblume der Pelikan. Die ebenso klare als freie Komposition, die Energie der sehr persönlichen Stilisierung, der poetische Schwung der gegenständlichen Auffassung bringen dies Werk dem Besten der zeitgenössischen deutschen Kunst nahe. Stil und Signatur erweisen die Identität mit dem Meister des Hochaltars in Borna und der Ebersdorfer Pulthalter im Dresdener Museum. — Tür der »alten« Sakristei; vollendet 1518 in der Zeit der Bauleitung durch Jakob v. Schweinfurt. Erstes größeres Werk der Renss. in Obersachsen; Formcharakter venezianisch, got. Erinnerungen fast ganz unterdrückt, wenn auch der neue Stil noch nicht ganz verstanden; der plastische Schmuck steht dem der »schönen Tür« nahe, besonders frei und glücklich die Familienszene zwischen Anna und Maria. — Von derselben Hand oder mindestens aus derselben Werkstatt der Taufstein (ehemals im Cisterc.-Kl. Grünhayn); Sandstein, jedoch in genauer Nachahmung eines Buckelkelchs; am Nodus schwebende nackte Engel, am Fuß Taufkinder. — Die 100 Felder der Emporenbrüstung (1514-1517) mit Reliefs von Franz von Magdeburg; die ausführlichste Illustration des Neuen Testaments, die je in monumentaler Form versucht worden; ferner die Lebensalter. — Stuhlwerk von 1526, nicht mehr vollständig. — Singechor 1688 von J. H. Böhme. — Kanzel 1516, noch rein got.

Altäre. a) Hauptaltar. 1522 von Adolf Dowher (Daucher) in Augsburg angefertigt, die architektonischen und ornamentalen Teile vielleicht nach Entwurf Peter Flötners; entschieden gewollte aber noch nicht ganz geklärte Renss.; Archt. aus mehrfarbigem Marmor, Figg. aus Solenhofer Kalkstein; Hauptgegenstand Wurzel Jesse. — b) Bergaltar (im nördl. Nebenchor) 1521, geschnitzt, das Tektonische im Sinne lombardischer FrRenss. Das zweite nördl. Flügelpaar hat Gemälde mit Motiven aus Dürers Marienleben. — c) Münzeraltar (im südl. Nebenchor) 1522, dem vorigen ähnlich. — d) Bäckeraltar (zunächst dem vorigen). — e) Pflockscher Altar nach 1521, durchaus gemalt, der Marientod des Mittelschreins mit Benutzung des Schongauerschen Kupferstichs. — f) Altar des Münzmeisters Melch. Jomisch 1537.

Epitaph für Joh. Unwirt 1578 von Solenhofer Kalkstein.
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Berg-K. S. Marien. 1616 mit Benutzung des Chors von 1582; Halle; die Sschiffe durch Emporen geteilt; derbe, schlichte Renss. — Altarwerk der Bäckerzunft A. 17. Jh., später entstellt. Schöner Intarsia-Stuhl.

Hospital-K. 1683, architekturlos. — Bmkw. Gemälde der Cranach-Schule 1557.

Rathaus. 1535-38, fast ganz erneuert 1751. — Erzgebirgsmuseum.